Erdogans grösster politischer Widersacher
Imamoglu als Bürgermeister Istanbuls abgesetzt

Der Bürgermeister Istanbuls, Ekrem Imamoglu, muss in Untersuchungshaft und wird abgesetzt. Dem Erdogan-Rivalen werden Terrorismus und Korruption vorgeworfen. Kritiker sehen politische Motive hinter den Anschuldigungen.
Publiziert: 23.03.2025 um 03:07 Uhr
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Aktualisiert: 07:25 Uhr
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Der Bürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoglu, im Dezember 2022 vor Anhängern, nachdem ihn ein türkisches Gericht in einem politisch aufgeladenen Prozess zu fast drei Jahren Haft verurteilt hatte.
Foto: AFP

Darum gehts

  • Ekrem Imamoglu festgenommen, Terror- und Korruptionsvorwürfe erhoben
  • Wahlsieg des Bürgermeisters von Istanbul 2019 bedeutete Niederlage für Erdogans AKP
  • Seit Tagen kommt es in der Türkei immer wieder zu Protesten
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SDASchweizerische Depeschenagentur

Ekrem Imamoglu (53) war am Mittwoch gemeinsam mit Dutzenden weiteren Menschen festgenommen worden, wenige Tage vor seiner Nominierung als Präsidentschaftskandidat der grössten Oppositionspartei CHP. Imamoglu werden Terror- und Korruptionsvorwürfe in zwei Verfahren gemacht. 

Am Sonntag wurde der Oppositionspolitiker dann «vorübergehend» als Bürgermeister Istanbuls abgesetzt, wie das türkische Innenministerium mitteilte. Begründet wurde dies mit der Untersuchungshaft, die im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen gegen Imamoglu verhängt wurde. Auch die Bürgermeister der Istanbuler Gemeinden Beylikdüzü und Sisli wurden abgesetzt, in Sisli wurde ein Zwangsverwalter bestimmt.

Gegen 106 Personen ermittelt

Die Anordnung der Untersuchungshaft erfolgte zunächst in Verbindung mit den Korruptionsermittlungen. In beiden Verfahren wird gegen 106 Personen ermittelt. Auch gegen Imamoglus Berater und viele andere wurde Untersuchungshaft angeordnet. Imamoglu weist alle Vorwürfe zurück.

Oppositionelle wie auch Beobachter werfen der Regierung vor, mit ihrem Vorgehen gegen Imamoglu einen politischen Konkurrenten ausschalten zu wollen. Imamoglus Sieg 2019 in Istanbul gilt als eine herbe Niederlage der AKP-Partei Erdogans, die die Grossstadt bis dahin regierte. Imamoglu gewann in Istanbul 2024 ein weiteres Mal. Istanbul ist die bevölkerungsreichste Metropole des Landes und sowohl politisch als wirtschaftlich von zentraler Bedeutung. Politisch wird die Kontrolle über Istanbul oft als Symbol für den allgemeinen politischen Einfluss im Land gesehen.

«Ziviler Putsch»

Hintergrund der Terrorermittlungen gegen Imamoglu ist laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu eine Kooperation zwischen der CHP und der prokurdischen Dem-Partei bei den Kommunalwahlen. Über diese Kooperation habe die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK versucht, ihren Einfluss auszuweiten, zitierte Anadolu am Mittwoch die Generalstaatsanwaltschaft.

Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel hatte die Festnahme seines Parteifreundes einen «zivilen Putsch» genannt. Die Partei Erdogans wehrt sich gegen den Vorwurf und nannte ihn den «Gipfel politischer Unvernunft».

Trotz Inhaftierung als Präsidentschaftskandidat nominiert

Ungeachtet der Vorwürfe hat die CHP am Sonntag Imamoglu als Präsidentschaftskandidat der Partei nominiert. Imamoglu wird jedoch vorübergehend durch einen Stellvertreter ersetzt werden. Dazu werde das Istanbuler Parlament zusammenkommen und abstimmen, sagte der Chef der CHP-Partei Imamoglus, Özgür Özel. Bei der landesweiten Abstimmung sind 1,7 Millionen Parteimitglieder der CHP aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.

Das Vorgehen gegen den populären Istanbuler Bürgermeister hat in vielen Städten des Landes Zehntausende auf die Strasse getrieben. Dabei kam es zu Hunderten Festnahmen und Zusammenstössen zwischen Polizei und Demonstranten. Die Proteste dauern bereits seit Tagen an. Die CHP sprach am Freitag von 300'000 Teilnehmern allein in Istanbul. Überprüfen liess sich die Zahl nicht. 

Auch am Sonntag fanden sich am Abend Tausende auf dem Sarachane-Platz in Istanbul ein – trotz eines geltenden Demonstrationsverbots. Berichten zufolge setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstrierenden ein. Mehrere Menschen wurden demnach verletzt. Auch in Ankara, wo Demonstrationen ebenfalls offiziell untersagt sind, setzten Tausende Menschen die Proteste fort.

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