Am vergangenen Donnerstag versinkt das russische Kriegsschiff Moskwa im Meer. Die Ukraine und westliche Beobachter sagen, dass ukrainische Raketen das Schiff getroffen und so zum Sinken gebracht hätten. Russland hingegen behauptet, das Schiff sei durch eine unerklärbare Detonation so stark beschädigt worden, dass man es an den Hafen zurückziehen musste. Dabei sei es umgekippt.
Von der rund 500 Mann starken Besatzung fehlt in den meisten Fällen jede Spur. Die russischen Angehörigen suchen verzweifelt nach Spuren ihrer Kinder. Gegenüber dem «Guardian» erzählt Julia T.*, sie habe erst nach Tagen der Ungewissheit am Montagmorgen einen Anruf vom russischen Verteidigungsministerium erhalten. Ihr Sohn sei gestorben. «Sie haben mir nichts weiter gesagt – ich habe nicht einmal erfahren, wann die Beerdigung stattfindet. Ich bin mir sicher, er ist nicht die Einzige, der gestorben ist.»
«Werden alles daran setzen, die Wahrheit ans Licht zu bringen»
Auch von Schiffskoch Jegor S.* fehlt seit dem Angriff auf die Moskwa am Donnerstag jede Spur. Vater Dmitri S.* sagt, er habe noch keinen Anruf mit der Todesbestätigung seines Sohnes erhalten. «Ich habe die Kommandanten des Schiffes gefragt, wie es sein könne, dass sie noch am Leben sind und mein Sohn als einfacher Soldat nicht gerettet wurde. Daraufhin habe ich keine Antwort mehr erhalten», schildert der verzweifelte Vater. Aber er werde alles dran setzen, «die Wahrheit ans Licht zu bringen», sagt Dmitri S. «Damit diese Bastarde die Wahrheit über diese unfassbare Tragödie nicht vertuschen können.»
Das Besatzungsmitglied Nikita S.* (20) ist ebenfalls verschwunden. Stiefmutter Anna sagt: «Es gibt keine News zum Verbleib von Nikita. Die Behörden schweigen, sagen uns gar nichts. Wir kriegen keine Informationen.» Die leibliche Mutter sagt, sie habe in einem Spital eine Telefonnummer erhalten. Bei dem folgenden Anruf sei ihr bestätigt worden, dass ihr Sohn vermisst werde. Die Chancen auf eine Rettung würden «praktisch bei Null liegen». Anschliessend sei sie gebeten worden, künftig nicht mehr anzurufen, sondern SMS zu schreiben. Der Grund: «Sie sagten, sie wollen mein Geschluchze nicht mehr hören.»
Genaue Anzahl Toter dürfte unklar bleiben
Wie viele Besatzungsmitglieder gestorben sind, hält das russische Verteidigungsministerium unter Verschluss. Viele Familien würden sich aus Angst vor Konsequenzen nicht an die Öffentlichkeit wenden, vermuten Experten. «Die russische Führung war nie besonders transparent, was Todesopfer bei solchen Vorfällen angeht», sagt Alexander Gabujew, Russland-Experte einer Moskauer Denkfabrik. Die Behörden hätten sich etwa während der Einsätze im Syrien-Krieg ähnlich intransparent verhalten.
Die genaue Anzahl der Todesopfer dürfte also nie bekannt werden. Die Bilder der brennenden «Moskwa» gingen um die Welt. Das Leiden der Angehörigen der Besatzungsmitglieder hingegen verläuft in den meisten Fällen still. (zis)
* Namen bekannt