Vergangenen Donnerstag versank das russische Kriegsschiff «Moskwa» im Schwarzen Meer. Ukrainer und westliche Beobachter sagen, das Schiff sei von ukrainischen Raketen vom Typ «Neptun» getroffen worden. Die Russen sagen, es sei durch eine unerklärbare Detonation von Munition so stark beschädigt worden, dass man es an den Hafen zurückziehen musste. Dabei sei es umgekippt.
Der russische Politiker und ehemalige Berater des russischen Präsidenten Wladimir Putin (69), Sergei Markow (64), behauptet nun gegenüber «BBC»: Die «Moskwa» wurde von einer Nato-Rakete getroffen und sei deshalb gesunken. Die Rakete soll im Januar in die Ukraine verlegt worden sein, so Markow.
Wenige Momente vor dem Untergang
In allen Fällen ist es eine schlimme Niederlage für die russische Armee und stellt sie in ein sehr schlechtes Licht. Im ersten, weil sie nicht fähig war, ihr wichtigstes Kriegsschiff zu schützen. Im zweiten, weil die Soldaten nicht fähig waren, grundlegende Sicherheitsmassnahmen einzuhalten. Auch Markow räumte gegenüber «BBC» ein: Der Verlust des Schiffes sei ein «Versagen des russischen Militärs», könne aber darauf zurückgeführt werden, dass Russland nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen eine «Koalition grosser Staaten» kämpfen müsse.
Am Montag ist ein Video aufgetaucht, das den Kreuzer beim Untergang zeigen soll. Die Aufnahme dauert nur wenige Sekunden. Gleich nach Beginn des Clips ist eine wütende Männerstimme zu hören. «Was zum Teufel machst du da?», ruft er. Danach schwenkt die Kamera nach unten und das Video bricht ab. Unklar ist, ob der Ausruf dem filmenden Soldaten gilt.
Bereits in der Nacht auf Montag ist ein Bild in sozialen Medien aufgetaucht, das «Moskwa» beim Sinken zeigen soll. Es ist spektakulär: Das Heck raucht stark, dazwischen sind vereinzelt noch Raketensilos zu erkennen. Vereinzelt brennen Feuer. Der Kran ist nach hinten gekippt. Die dem Wasser zugeneigte Seite weist verschiedene schwarze Flecken auf, die Einschusslöcher sein könnten. Das Schiff hat bereits schwer Schlagseite bekommen, von der angeblich 500-Mann-starken Mannschaft ist – genau wie von Rettungsbooten – nichts mehr zu sehen.
Von Rettungsschiff aus gefilmt?
Ob die Bilder echt sind und zur «Moskwa» gehören, kann derzeit nicht verifiziert werden. In sozialen Medien ist die Uneinigkeit gross. Es könne sich auch um ein anderes Schiff handeln, wird gemutmasst. Allerdings ist einige Minuten danach ein zweites Foto aufgetaucht, das aus anderem Blickwinkel ein sehr ähnliches Bild zeigt.
Woher die Bilder stammen, ist bisher nicht bekannt. Sie könnten von einem der Schiffe geschossen worden sein, die der «Moskwa» zu Hilfe eilten, als diese am Sinken war. Das könnte den Beobachter erklären, der auf dem Bild erkennbar ist. Dmitrij Peskow (54), der Pressesprecher von Wladimir Putin, sagte am Montag: «Wir haben die Aufnahmen gesehen, aber wie authentisch sie sind, können wir nicht sagen.»
Starben Dutzende Russen beim Angriff? Oder keiner?
Nachdem der Untergang der «Moskwa» von Russland vor wenigen Tagen bestätigt worden war, sprach der ukrainische Präsidentenberater Olexeij Arestowytsch von einem «militärischem Ereignis von kolossaler Bedeutung» und dem «grössten Verlust der russischen Flotte seit dem Zweiten Weltkrieg».
Nach wie vor gibt es diverse Unklarheiten zum Vorfall. Russland will den Verlust so klein wie möglich reden, die Gegenseite das Gegenteil erreichen. So spricht etwa die Ukraine davon, dass rund 500 Seeleute auf dem Schiff waren. Russland behauptet, die ganze Mannschaft gerettet zu haben. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby (59), widersprach und sagte, dass es wahrscheinlich sei, dass es bei dem Vorfall Tote und Verletzte gegeben habe. Die russische Zeitung «Novaya Gazeta Europe» schreibt, unter Berufung auf die Mutter eines Matrosen, der sich vermutlich an Bord befand, rund 40 Seeleute seien getötet worden und viele weitere würden vermisst.
Wie «Nexta» auf Twitter schreibt, sollen mehrere Eltern von russischen Soldaten, die sich auf der «Moskwa» befunden haben, ihre Kinder nun nicht mehr erreichen können. «Mein Sohn trat als Wehrpflichtiger, als Schiffskoch in den Dienst auf dem Kreuzer», so ein Vater auf Facebook. «Russland sagte, die gesamte Besatzung sei evakuiert worden. Das ist eine Lüge!»
Pentagon ohne Hinweise auf Atomwaffen auf «Moskwa»
Laut Einschätzungen der US-Regierung hatte das Kriegsschiff keine Atomwaffen an Bord. «Wir haben keine Hinweise darauf, dass sich zum Zeitpunkt des Untergangs Atomwaffen an Bord befanden», sagte ein hoher Vertreter des US-Verteidigungsministeriums am Montag, wie die Nachrichtenagentur SDA berichtet. Zum Schicksal der Besatzung machte er keine genauen Angaben. Es gebe Hinweise darauf, dass einige Matrosen überlebt hätten. Es habe aber sehr wahrscheinlich auch Todesopfer gegeben.
Die «Moskwa» wurde als Zerstörer gegen Flugzeugträger entworfen worden. Das Schiff wurde bereits 1983, noch zu Sowjetzeiten, in Betrieb genommen und immer wieder modernisiert. Am Ende war es 186 Meter lang und verfügte Berichten zufolge über 16 Seezielflugkörper, Langstreckenraketen, Osa-Kurzstreckenraketen, Raketenwerfer und Torpedos.
Putin nutzte das Schiff gerne für symbolische Zwecke. So empfing er im August 2014 in Sotschi den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sissi oder fuhr damit nach Italien, um den damaligen Regierungschef Silvio Berlusconi auf dem Deck zu begrüssen. Das britische Verteidigungsministerium geht davon aus, dass sich der Kriegskurs Moskaus nach dem Untergang des Flaggschiffs verändert könnte. Es habe als Kommando- und Knotenpunkt der Luftverteidigung gedient. Nun müsse sich das Militär anpassen.
Die «Moskwa» dürfte darum auch nach ihrem Untergang den Krieg prägen.