Vor genau zehn Jahren schien der Traum der Ukraine von einer EU-Mitgliedsschaft in weite Ferne gerückt zu sein. Im November 2013 gab der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch (73) engere Verbindungen zur EU auf – zugunsten einer engeren Freundschaft mit Russland.
Daraufhin stürmten Hunderte Demonstranten auf den Kiewer Maidan-Platz. Die Euromaidan-Bewegung war geboren – und zeigte den eindrucksvollen Wunsch der jungen Ukrainer, sich ihren westlichen Nachbarn anschliessen. Doch bis zur russischen Invasion im Februar 2022 schien die ukrainische Mitgliedschaft in der EU ein ferner Traum zu sein.
Der Einmarsch von Kremlchef Wladimir Putin (71) scheint diesen Wunsch der Ukrainer nach einem EU-Beitritt deutlich verstärkt zu haben. Laut einer Umfrage von Civic Synergy, einem Projekt zur Stärkung der öffentlichen Beteiligung an der Umsetzung von Reformen zur europäischen Integration in der Ukraine, sprachen sich 2018 52 Prozent dafür aus. Im Dezember 2022, inmitten des Konflikts, waren es bereits 79 Prozent.
Ukraine und EU wollen verhandeln – aber es gibt Hindernisse
Am Mittwoch rückte die ukrainische EU-Mitgliedschaft dann endlich ein Stück näher: Die EU empfiehlt, offiziell Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau aufzunehmen. Doch der Weg bis zur tatsächlichen EU-Mitgliedschaft könnte sich noch über Jahre hinziehen. Denn die Ukraine hat noch einige Probleme, die sie lösen muss, bevor sie der EU beitreten darf. Das grösste Problem, nebst dem Krieg: die Korruption. Im Jahr 2021 stufte Transparency International die Ukraine als das zweitkorrupteste Land in Europa ein, hinter Russland.
Ursula von der Leyen (65), Präsidentin der Europäischen Kommission, zählte am Samstag in Kiew auf, was die Ukraine noch alles in dieser Hinsicht verbessern muss: Stärkere Anstrengungen im Kampf gegen die Korruption seien nötig, schärfere Vorschriften bei der Angabe von Vermögenswerten auch. Und damit echte Transparenz zur Vermeidung von Geldwäsche und Kartellen.
Und dann ist da auch noch der Krieg. Die Ukraine steht vor einer einzigartigen Herausforderung, da sie mitten im Krieg versucht, all diese von Ursula von der Leyen aufgezählten Kriterien zu erfüllen. In den EU-Statuten ist eigentlich verankert, dass kein Land im Krieg dem Bündnis beitreten darf. Doch dieser Krieg bringt auch neuen Schwung in die Verhandlungen, die vor zehn Jahren zum Erliegen gebracht wurden. Zudem wird mit dem EU-Beitritt der Ukraine nicht nur die Zukunft des Landes entschieden, sondern auch die zukünftige Haltung des Bündnisses zu Russland.
EU-Beitritt noch in weiter Ferne
Auch Europa muss sich ändern, wenn es die Ukraine aufnehmen will. Die EU müsste ihre Strukturen anpassen, um ein neues Mitglied mit einer grossen Bevölkerung und wirtschaftlichen Herausforderungen aufnehmen zu können. Beispielsweise würde die Ukraine aufgrund ihrer hohen Bevölkerungszahl eine Grosszahl an Sitzen im EU-Parlament erhalten.
Doch selbst wenn die Ukraine all diese Kriterien erfüllt, könnten ihr die Türen zu Europa verschlossen bleiben. Denn jeder der 27 Mitgliedstaaten kann ein Veto gegen den Beitritt eines anderen Landes einlegen. Im Fall der Ukraine wird das wohl ein Land tun: Ungarn. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (60) stellt sich bereits seit Beginn des Krieges gegen eine Aufnahme der Ukraine und auch gegen Waffenlieferungen an das Land.