Die Risiko-Strategie von Polen
Tausende Infizierte, Hunderte Tote – aber kaum Massnahmen

In Polen sterben derzeit viele Menschen an Corona. So viele wie kaum woanders in Europa. Trotzdem werden die Massnahmen nicht verschärft. Aber warum nicht?
Publiziert: 04.12.2021 um 14:10 Uhr
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Aktualisiert: 04.12.2021 um 18:36 Uhr
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In Polen steigen die Infektionszahlen. Und nicht nur das: Gemessen an der Bevölkerungsgrösse sterben dort so viele Menschen wie nirgends sonst in Europa.
Foto: imago images/ZUMA Wire

Impfpflicht, 2G, Testpflicht. In Europa werden die Massnahmen nach und nach verschärft. Kein Wunder: Die Corona-Zahlen steigen und steigen. Auch in Polen. Doch dort wird derzeit nichts unternommen.

Dabei ist die Situation gerade in Polen so schlimm wie kaum woanders. Gemessen an der Bevölkerungsgrösse sterben dort so viele Menschen wie nirgends sonst in Europa. Die Kurve steigt steil nach oben. Innerhalb eines Tages gab es am 1. Dezember 570 Todesfälle. Zum Vergleich: Am 1. November lag die Zahl der Corona-Toten noch bei 13.

Die Spitäler stehen inzwischen unter enormem Druck, vor allem im Osten, wo besonders wenige Menschen geimpft sind.

«Wir haben ein ‹Widerstands-Gen› in uns»

Massnahmen ergreift die Politik trotzdem nicht. Von einem Lockdown oder gar einer Impfpflicht möchte die Regierung nichts wissen. Präsident Andrzej Duda (49) sagte am Montagabend im Staatsfernsehen TVP: «Ich kenne den polnischen Charakter, und ich weiss, dass sehr viele Leute absolut dagegen wären. Das ist unser Charakter, und ich denke, es ergibt keinen Sinn, gegen nationale Charaktereigenschaften anzukämpfen.»

Mit dieser Meinung ist Duda nicht allein. «Wir haben ein ‹Widerstands-Gen› in uns», sagte der stellvertretende Gesundheitsminister Waldemar Kraska (58), als ein Journalist wissen wollte, ob in Polen nicht auch Einschränkungen für Ungeimpfte eingeführt werden könnten. Der Freiheitswille der Nation wird demnach als Grund benutzt, um keine strengeren Massnahmen einführen zu müssen.

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Kaum jemand trägt eine Maske

Dabei wären gerade jetzt Massnahmen angebracht. Denn auch die Impfquote lässt zu wünschen übrig. Gerade mal 54 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft.

Der Arzt Bartosz Fialek, der in einem polnischen Spital arbeitet, fasst das Dilemma zusammen. «Es wurden zu wenige Menschen geimpft, und zweitens halten sich die Leute einfach nicht an die hygienischen und epidemiologischen Regeln», sagt der Mediziner zu «Welt». Das zeige sich beispielsweise bei einem Besuch im Supermarkt. Nur wenige würden eine Maske tragen. Ideale Bedingungen also für das Coronavirus.

Immerhin: Die Regierung handelt jetzt wegen Omikron. Flüge aus sieben afrikanischen Ländern sollen bis zum 17. Dezember eingestellt werden. Zudem sind Einschränkungen für Versammlungen in Innenräumen geplant. (gin)

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