Die Fehler der USA im Nahost-Konflikt
Die Freunde verhätschelt, die Feinde ignoriert

Die USA stärken Israel im Nahost-Konflikt den Rücken. Das ist nötig. Doch für eine dauerhafte Entspannung müssen sie auch die Not und Bedürfnisse der Palästinenser ernst nehmen. Eine Analyse zu Joe Bidens Besuch im Auge des Sturms.
Publiziert: 20.10.2023 um 18:47 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2023 um 10:58 Uhr
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Joe Biden traf am Mittwoch den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu.
Foto: Anadolu via Getty Images
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Guido FelderAusland-Redaktor

Wie unterschiedlich Joe Bidens (80) Reisen in den Nahen Osten doch waren. Als er im Juli 2022 nach Israel flog, führte er den jüdischen Staat mit dem verfeindeten Saudi-Arabien zusammen. Es war Grund zur Hoffnung und eine aussenpolitische Meisterleistung des alternden US-Präsidenten, dem der Friede im Nahen Osten an oberster Stelle steht.

Die Reise am vergangenen Mittwoch stand unter ganz anderen Vorzeichen. Statt Entspannung wie vor einem Jahr herrscht brutaler Krieg, den die Hamas vor zwei Wochen überraschend angezettelt hat. Tausende von Raketen explodierten in Israel, Hunderte von Zivilisten wurden bei der Invasion ermordet oder entführt. Unter den Exekutierten fand man auch Babys, Kinder, Behinderte und alte Menschen.

Ein weiterer grausamer Höhepunkt des Kriegs war der Raketeneinschlag beim Al-Ahli-Spital am Dienstagabend bei Gaza-Stadt. Erste Auswertungen von amerikanischen und europäischen Geheimdiensten haben ergeben, dass wohl eine fehlgeleitete Rakete aus dem Gazastreifen für die Tragödie mit möglicherweise über 500 Toten verantwortlich war – wobei diese von der Hamas verkündete hohe Zahl angezweifelt wird.

USA müssen auf Israel einwirken

Bidens Mission ins Auge des Sturms war ein starkes Zeichen, die Ausbeute allerdings schwach. Zwar hat er dafür gesorgt, dass die Hilfs-Blockade für den Gazastreifen aufgehoben wird und Israel mit der Bodenoffensive im Gazastreifen zumindest zuwartet und so die Hisbollah im Libanon vor einem Eingreifen in den Krieg abhält. Doch aus den geplanten Gesprächen mit den Palästinensern und mit Nachbarstaaten, die vermittelnd eingreifen könnten, wurde nichts. Ägypten und Jordanien haben Biden einen Korb gegeben, nachdem Palästinenser-Chef Mahmud Abbas (87) wegen der Raketenexplosion beim Spital das Treffen abgesagt hatte.

Bidens Antwort auf den Krieg besteht darin, für Israel ein weiteres Milliardenpaket zu schnüren. Das gab er am Freitag im Weissen Haus bekannt. Für eine nachhaltige Beruhigung der Lage im Nahen Osten braucht es allerdings auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem befreundeten Staat.

Wegen dieser Freundschaft haben es die USA mehrere Male unterlassen, Israel zurückzubinden. So haben sie es toleriert, dass Israel die Atombombe entwickelt hat. Auch beim laut Uno völkerrechtlich illegalen Siedlungsbau schreckten die Amerikaner in jüngster Zeit davor zurück, die schleichende Besetzung des Westjordanlands zu verurteilen. Die Gewalt von Siedlern gegenüber Palästinensern im Juni ist einer der Hauptgründe, warum die Hamas Israel zurzeit wieder angreift.

Bush griff ein

George H. W. Bush (1924–2018) war ein US-Präsident, der dem Siedlungsbau einen Riegel schieben wollte. Sein Aussenminister James Baker (93) sagte 1989 vor Aipac, der bedeutendsten israelischen Lobby in den USA: «Für Israel ist es nun an der Zeit, ein für alle Mal die unrealistische Vision eines Gross-Israel zu begraben. Stellen Sie die Annexion ein, beenden Sie die Siedlungsaktivitäten. Und reichen Sie den Palästinensern, die politische Rechte verdienen, als Nachbarn die Hand.»

Gewiss, die USA sind nicht für den Krieg zwischen Israel und den Palästinensern verantwortlich. Aber sie tragen eine Mitverantwortung dafür, dass sich der Friedensprozess zwischen diesen beiden Fronten in den vergangenen Jahren nicht weiterentwickelt hat.

Für die USA gilt auf der einen Seite, ihren Freund zu unterstützen, zu beraten und bei Bedarf auch zu zügeln. Auf der andern Seite darf Washington die Not und Bedürfnisse der Palästinenser nicht ausser Acht lassen. Es braucht eine Handreichung mit den Palästinensern, sodass der Terrororganisation der Hamas der Nährboden des Hasses entzogen wird.

Trump steht bereit

In den USA stehen Wahlen an. Gibt Biden weiterhin Milliarden für Konflikte im fernen Ausland aus, ohne dass eine Lösung erzielt wird, schadet ihm das. Wir wissen, wer wieder in den Startlöchern steht: Es ist ein Mann, der schon einmal Präsident war und in dieser Funktion die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt hatte. Diese Aktion war nicht nur eine Freundschafts-, sondern eine Liebeserklärung an Israel – gleichzeitig aber pure Provokation für die Araber.

Die Zeit für Biden drängt. Denn kommt Donald Trump (77) wieder an die Macht, dürfte eine Entspannung im Nahen Osten in noch weitere Ferne rücken.

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