Jedes Jahr sterben weltweit rund zehn Millionen Menschen an Krebs. Diese Zahl könnte in Zukunft verringert werden. Daran arbeitet jedenfalls der Berliner Wissenschaftler Alexander Meissner (47), Direktor des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik.
Der Wissenschaftler hat einen Bluttest zur Früherkennung von Krebs entwickelt. Dank einer frühen Diagnose könnten so die Chancen einer erfolgreichen Behandlung deutlich erhöht werden. Das Verfahren soll es ermöglichen, fast sämtliche Krebsarten zu erkennen. Eine Studie in den USA soll nun zeigen, ob der Test tatsächlich wie vorgesehen funktioniert.
Tumorgewebe verhält sich wie die Plazenta
Wie so oft in der Wissenschaft, kam Meissner durch eine Zufallsentdeckung auf die Idee: Bei einer Analyse des Mutterkuchens, der Plazenta, fiel seinem Team eine erstaunliche Ähnlichkeit zwischen der Signatur der Plazenta und dem Genaktivitätsmuster von menschlichen Krebszellen auf. «Tumorgewebe verhält sich ganz ähnlich wie Plazentagewebe», sagt Meissner zum «Tagesspiegel». «Die Plazentazellen eines Embryos müssen in ein fremdes Gewebe, die Gebärmutter, einwandern, sie müssen das Immunsystem der Mutter in Schach halten, sie müssen die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen sicherstellen – all das müssen auch Tumorzellen können.»
Die Gene, die das ermöglichen, werden nach der Geburt normalerweise ausgeschaltet. Aber offenbar wird das Programm im Zuge der frühen Krebsentwicklung wieder aktiviert. Die krebstypische Plazenta-Signatur ist laut Meissner in den frühesten Stadien fast jedes menschlichen Tumors zu finden. Die Wissenschaftler wissen somit, wonach sie suchen müssen, um den Krebs frühzeitig zu erkennen.
Zulassungsantrag bereits 2025?
In der US-Studie werden derzeit Blutproben von kürzlich diagnostizierten Krebspatienten und gesunden Menschen dahingehend analysiert, ob sie beim Test die Diagnose bestätigen und bei Gesunden keinen Fehlalarm auslösen. 10'000 Menschen sollen so untersucht werden. Bisher haben die Wissenschaftler 1000 Probanden angeschaut. Meissner rechnet damit, dass 2025 eine Testversion für den Zulassungsantrag in der USA fertig sein wird.
Investoren hat Messner bereits gefunden. Die Bostoner Risikokapitalfirma Flagship, Gründerin des Unternehmens Moderna, das Corona-Impfungen herstellt, kündigte nach einem anfänglichen Zuschuss von 50 Millionen Dollar am Donnerstag weitere Investitionen im Umfang von 140 Millionen Dollar an. Messner bleibt in der für das Projekt von ihm mitbegründeten Firma Harbinger Health als «Wissenschaftlicher Gründer» involviert. (noo)