Auf einen Blick
Die Uhr tickt für Tiktok. Vier Tage noch, dann muss die chinesische Mutterfirma Bytedance die US-amerikanische Sparte der Videoplattform verkaufen. Sonst wird Tiktok in den Vereinigten Staaten verboten.
Der Grund dafür: Eine Mehrheit des US-Parlaments erachtet die App als Spionage-Instrument der kommunistischen Regierung in Peking. Retten könnte Tiktok und seine 170 Millionen (!) aktiven Nutzerinnen und Nutzer in Amerika nur noch das Oberste Gericht (unwahrscheinlich) – oder Elon Musk (gar nicht mal sooo unwahrscheinlich).
Es gibt gleich vier Gründe, weshalb sich der reichste Mensch der Welt (aktuelles Vermögen: 432 Milliarden US-Dollar) die umstrittene Mega-Plattform unter den Nagel reissen dürfte.
Erstens: Musk (53) hat sich innert Kürze zum mächtigsten Meinungsdompteur des Globus – ja der ganzen Menschheitsgeschichte – gemausert. Mit X kontrolliert er heute schon eine der wichtigsten Informationsplattformen der Welt.
Für fast schon läppische 40 Milliarden Dollar (so die Schätzung der Newsagentur Bloomberg) könnte er sich jetzt auch noch das drittgrösste soziale Netzwerk Amerikas (hinter Facebook und Instagram) kaufen. Ein Drittel der Tiktok-User sind noch keine 19 Jahre alt. Musk könnte mit seinen Algorithmen direkt Einfluss nehmen auf das noch instabile Weltbild der jugendlichen Kundschaft.
Zweitens: Peking, das Tiktok in den Worten von Jeremy Bash, dem ehemaligen Stabschef des US-Auslandsgeheimdiensts CIA, zur «Massenüberwachung der amerikanischen Bürger» missbraucht, gibt sein Super-Tool nur sehr ungern aus der Hand. Mit Elon Musk hätte die Regierung von Xi Jinping (71) einen zumindest wohlgesinnten Käufer gefunden, der in der Vergangenheit wiederholt Verständnis für Chinas territoriale Ansprüche auf den Inselstaat Taiwan geäussert hatte.
Nicht dass der Südafrikaner Musk vorhätte, in den USA chinesische Propaganda zu verbreiten. Aber: Mindestens gewisse Schnittmengen gäbe es zwischen Pekings Interessen und jenen des Multimilliardärs. Mit dem Tiktok-Kauf könnte Musk sich in China, dem zweitwichtigsten Absatzmarkt seiner Tesla-Fahrzeuge nach den USA, ein paar mächtige Freunde sichern.
Drittens: Musk, selbst übrigens noch nicht aktiv auf Tiktok, sieht sich gerne in der Rolle als Zensur-Endgegner, als Ritter des freien Worts und Verfechter der radikalen Meinungsfreiheit. Das war seine Argumentation beim Kauf von Twitter, heute X. Aus demselben Grund dürfte der zukünftige Mitarbeiter in der Administration von Donald Trump (78) auch ein Interesse an Tiktok haben.
Auf einen Schlag Einfluss auf die News- und Unterhaltungsdiät von 170 Millionen Amis (also mehr als jeden zweiten Menschen im 334-Millionen-Einwohner-Land) zu erhalten und sie von der drohenden «Zensur» durch allzu paragrafentreue Bürokraten zu befreien, das wäre genau nach Musks Gusto.
Viertens: Musk braucht Daten, richtig viele Daten, um die Modelle seines KI-Unternehmens xAI zu füttern. Schliesslich reicht es dem nimmermüden Mann nicht, mit SpaceX das Weltall, mit Tesla die Automobilbranche, mit Neuralink die Hirnforschung und mit der «Boring Company» die Städteplanung der Zukunft aufzumischen. Er möchte auch bei der künstlichen Intelligenz ganz vorne mitspielen.
Die 170 Millionen amerikanischen Tiktoker lieferten haufenweise Datenpunkte, mit denen er die hungrigen xAI-Rechner trainieren könnte.
Eine Win-win-Situation eigentlich. Verlieren würden einzig jene, die jetzt schon genug haben vom dauerpräsenten Musk. Allein in den USA gibt es davon wohl mindestens so viele wie aktive Tiktok-User.