Ischgl, der Ballermann der Alpen. Das Dorf, von dem aus sich das neuartige, aggressive Coronavirus in Europa verbreitete. Fast 40 Tage lang war es abgeriegelt, nur wer auswärts arbeiten oder einen medizinischen Notfall hatte, durfte den Ort verlassen.
Nun versucht der Ferienort langsam wieder zum Alltag zurückzukehren. In der Nacht auf Freitag wurde die Quarantäne beendet, die Sperren auf der Strasse sind weg. Grund für die Aufhebung ist die minimale Anzahl Neuinfektionen.
Eine Flut von Klagen
Die Normalität wird allerdings nicht so schnell einkehren. 4500 Personen – darunter vor allem deutsche Feriengäste – haben über eine Konsumentenorganisation eine Sammelklage angekündigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob man im Ort vom Virus gewusst und es heruntergespielt habe. Auch nach Auftauchen von Covid-19 blieben Skilifte, Hotels und Bars noch mehrere Tage lang geöffnet. Besonders das Après-Ski-Lokal Kitzloch soll eine eigentliche Virenschleuder gewesen sein.
Kanzler Sebastian Kurz (33) hat angekündigt, die Verantwortlichen zu bestrafen, wenn ein Fehlverhalten nachgewiesen werden könne.
Gegenüber der «Bild»-Zeitung gesteht Kitzloch-Wirt Bernhard Zangerl (25): «Es wäre sinnvoller gewesen, früher zu schliessen. Aber wir haben auf die Behörden und Anweisungen der Ärzte vertraut.» Die hätten nach dem ersten Corona-Fall gesagt, dass Zangerl nur seine Bar desinfizieren und die Mitarbeiter austauschen solle. Zangerl: «Im Nachhinein lässt es sich natürlich anders einschätzen.»
Ischgl wird zum Testlabor
Ischgl wird nun zum österreichischen Testlabor. Mit Antikörpertests soll bestimmt werden, wie gross die Immunität unter den Einwohnern ist. Anders als mit den üblichen PCR-Tests, die Gewissheit geben, wer akut am Coronavirus erkrankt ist, sollen Antikörpertests Aufschluss darüber geben, wer die Erkrankung bereits hinter sich hat.
Das ermöglicht Rückschlüsse auf die Dunkelziffer bei Corona-Fällen und somit auch auf eine mögliche Immunität innerhalb der Bevölkerung.
Mehr Sport statt Party
Die Corona-Krise hat Ischgl massiv durchgeschüttelt. Das Dorf wird sich im Tourismus neu ausrichten. Bürgermeister Werner Kurz (58) nennt als wesentliches Ziel «noch mehr Qualität». Das bedeutet Vorrang für Skifahrer und weniger Tagesbusgäste, die nur zur Party kommen. Gemeinsam mit allen Betreibern werde auch überlegt, wie eine gehobene Après-Ski-Kultur aussehen könne.
Bürgermeister Kurz: «Wir stehen am Anfang unserer Überlegungen und werden die Sommermonate nutzen, um das Konzept ‹Mehr Qualität› mit ganz konkreten Massnahmen realisieren zu können. Wir setzen alles daran, um unser Image und unsere Reputation als Ort mit hoher Qualität zu stärken.» (gf)