Die Krisengespräche über den Konflikt zwischen Russland und der Nato blieben bisher nur leere Worte. Eine Einigung Entspannung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Nach den Konferenzen, von denen eine auch in Genf stattgefunden hat, bliesen die russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine Mitte Woche zu neuen Manövern.
Das Verteidigungsministerium in Moskau veröffentlichte dazu ein Video, das Kolonnen von Militärfahrzeugen zeigte und wie Panzer auf Züge verladen wurden. Geübt wurde auch die Verschiebung, «um den Transport von Truppen innerhalb einer bestimmten Zeit zu gewährleisten».
Der US-amerikanische Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan (45) sagt: «Wir und unsere Verbündeten sind auf jede Eventualität vorbereitet.» Die schlimmste dieser «Eventualitäten»: ein Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine. Es würde Krieg bedeuten.
Putin mit Expansionsgelüsten
Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) wird nachgesagt, dass er das Sowjetreich wiederherstellen und die ehemaligen Sowjetrepubliken wieder in Russland einverleiben wolle. Der ehemalige Box-Weltmeister und heutige Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko (50), warnt in der Zeitung «Bild» davor, dass Putin nach der Ukraine deshalb auch die baltischen Staaten angreifen könnte.
Doch das sei noch nicht alles. Auch Deutschland müsse vor Putin auf der Hut sei, sagt Klitschko. «Und wenn er von seinem Wunsch spricht, das Sowjetimperium zurückzugeben, dann schliesst das auch die ehemalige DDR ein», wird er zitiert. Daher sollte die Kriegsdrohung gegen die Ukraine «jeden Deutschen alarmieren». Klitschko kritisiert Berlin, weil es zögere, die Ukraine mit Abwehrwaffen zu beliefern.
Russland schliesst selbst Truppen auf Kuba und in Venezuela nicht aus. Vize-Aussenminister Sergej Rjabkow (61) drohte im Falle eines Scheiterns der Gespräche über verbindliche Sicherheitsgarantien für Moskau, dass russisches Militär auf Kuba und in Venezuela stationiert werde. «Ich möchte weder etwas bestätigen noch ausschliessen», sagte er auf eine entsprechende Frage im Sender RTVi.
126'000 russische Soldaten
In den vergangenen Wochen hat Moskau seine Truppen regelrecht um die Ukraine herum positioniert. Laut dem ukrainischen Aussenminister Dmytro Kuleba (40) waren Ende 2021 insgesamt 52 Bataillone «in unmittelbarer Nähe des ukrainischen Hoheitsgebietes» gezählt worden.
Die Gesamtzahl der Streitkräfte entlang der Grenze sowie im besetzten Donbass und auf der annektierten Halbinsel Krim, wo Russland im vergangenen Jahr schwer aufgerüstet hat, habe 126'000 Mann erreicht.
Allein im vergangenen Jahr habe Russland in der Nähe der Grenze 2500 militärische Übungen durchgeführt, bei denen 66 ukrainische Soldaten getötet und 273 verwundet wurden.
Besonders Sorge bereitet Kiew die Zusammenarbeit von Russland mit Belarus, mit dem die Ukraine eine lange Grenze teilt. «Man kann nie wissen, ob militärische Aktionen von da aus gestartet werden», sagt der ukrainische Botschafter in der Schweiz, Artem Rybtschenko (38), im Interview mit Blick.
Massiver Cyberangriff
Es scheint, dass Russland nach den Gesprächen auch die hybride Kriegsführung intensiviert hat. Am Donnerstagabend legte ein massiver Cyberangriff mehrere Webseiten der ukrainischen Regierung lahm. Es ist nicht klar, wer dahintersteckt. Die Ukraine verzeichnete jedoch in den vergangenen Jahren Hunderte solcher Angriffe aus Russland.
Russland sieht sich durch die Nato in seiner Sicherheit bedroht, fordert deshalb ein Ende der Nato-Osterweiterung und insbesondere einen Verzicht auf die Aufnahme der Ukraine. Die USA lehnen eine solche Zusage kategorisch ab.
Sullivan drohte Moskau erneut mit Wirtschafts- und Finanzsanktionen, mit Exportkontrollmassnahmen sowie mit einer Aufrüstung der Ukraine, «wenn das russische Militär die ukrainische Grenze überschreitet».