Auf einen Blick
- Kim Wolhuter kuschelt mit Hyänen in Simbabwe
- Er lebt barfuss im Busch und filmt wilde Tiere
- Verbringt 5-6 Nächte pro Woche im Geländewagen
Es ist kurz nach sechs, als Kim Wolhuter seinen verbeulten Toyota Hilux wenige Meter vor dem Bau eines Hyänen-Rudels parkt. Gerade ist die Sonne als blutroter Ball hinter den Akazien verschwunden, die Hitze des Tages ebbt langsam ab. Einige ausgewachsene Raubtiere füttern ihre Kleinen, bevor es auf die nächtliche Jagd geht. Die Jungtiere laufen neugierig schnüffelnd umher, spielen oder zanken sich um einen Stock.
Wolhuter steigt aus dem Wagen, an dessen Fahrerseite zwei Löcher in der Karosserie an einen Angriff von einem Büffel erinnern. Er ist barfuss. Ausser einem khakifarbenen T-Shirt und beigen Shorts trägt er nichts. Langsam geht der 65-Jährige auf das Rudel Tüpfelhyänen zu. Er begrüsst sie mit Worten und Lauten, wie man es von der Kommunikation mit Hunden kennt.
Wildhüter dritter Generation
Wolhuter setzt sich in den Sand und wartet. Es dauert keine Minute, bis die erste Hyäne sich ihm nähert. Er streckt seine Hand aus, krault dem Raubtier den Nacken. Dann lässt sich Wolhuter sanft auf den Rücken fallen, die am wenigsten geschützte und unterwürfigste Position. Die beiden kuscheln und kabbeln. Verspielt knabbert die Hyäne an Wolhuters Unterarm. «Nein, nein», sagt er, wie zu einem Hund, wenn das Spiel zu grob wird. Als ob sie ihn verstanden hätte, lässt die Hyäne von ihm ab. Ein jüngeres Tier schnüffelt währenddessen an seinen Zehen.
Wolhuter lebt mit seiner Frau Hannah und seiner sechsjährigen Tochter in dem Sango-Tierschutzgebiet innerhalb der Savé Valley Conservancy im Südosten Simbabwes. Seine Liebe zu wilden Tieren wurde ihm in die Wiege gelegt. Sein Grossvater, Harry Wolhuter, war der erste Ranger im berühmten Krüger-Nationalpark in Südafrika. Sein Vater Henry trat in dessen Fussstapfen. Bis zu seiner Einschulung verbrachte Kim Wolhuter seine ersten Lebensjahre in der afrikanischen Wildnis.
Er ist alles andere als ein Stadtmensch
Nach einem Ökologie-Studium leitete Wolhuter Anfang der 80er-Jahre zunächst eine Wildtierfarm in Botswana. Einige Jahre später begann er, an internationalen Tier-Dokumentarfilmen mitzuarbeiten. Es sei ihm dabei immer wichtig gewesen, eine enge Beziehung zu den Tieren aufzubauen, die er filme, egal ob es sich um Leoparden, Hyänen, Geparden oder afrikanische Wildhunde handle, erzählt er. «Ich folge Tieren so lange, bis ich mit ihnen sehr vertraut werde, bis sie meine Anwesenheit ignorieren und sich ganz natürlich verhalten», sagt Wolhuter.
Wolhuter ist alles andere als ein Stadtmensch. Schuhe trägt er nur, wenn er einen Behördengang machen muss, und auch dann nur ungern. Fast jede Nacht fährt er allein in seinem Geländewagen Baujahr 1988, den er liebevoll nach seiner Mutter Joanie benannt hat, raus in den Busch, um Zeit mit wilden Tieren zu verbringen, oft bis Sonnenaufgang. Dafür hat er sein Auto umgebaut: An der Stelle des Beifahrersitzes befindet sich eine fest eingebaute Matratze, auf der Wolhuter fünf bis sechs Nächte pro Woche verbringt. Schlaf bekommt er dabei nur wenig, doch manchmal döst er ein, erzählt er. Einmal sei er aufgewacht, als ein Löwe an ihm schnüffelte.
Mit Raubtieren auf Augenhöhe
Wolhuters besondere Beziehung zu Hyänen begann vor mehr als 20 Jahren. Damals arbeitete er an einer «National Geographic»-Doku über die gefährlichen Raubtiere im südafrikanischen Wildreservat MalaMala. Wolhuter filmte auf dem Boden kniend, um einen niedrigen Kamerawinkel zu erhalten. «Hyänen sind unglaublich neugierig. Eine von ihnen kam, um an meinem Objektiv zu schnüffeln. Da habe ich einfach meine Hand ausgestreckt», erinnert er sich. Wie würde das Tier reagieren, habe er sich gefragt. Würde es wittern, lecken, beissen?
Doch die Hyäne überraschte Wolhuter. Sie legte ihre Schnauze in seine Handfläche. Wolhuter fing vorsichtig an, ihr das Kinn zu kraulen. «Das war ein einschneidendes Erlebnis für mich. Diese Hyäne hat mir gezeigt, wie Hyänen ticken», erzählt er. Seitdem hat Wolhuter sich in vier Naturschutzgebieten in Südafrika, Botswana und Simbabwe mit Hyänen-Rudeln angefreundet und enge Beziehungen zu etwa 20 Hyänen entwickelt. Dabei gehe es ihm nicht darum, die Tiere zähmen zu wollen. «Ich biete mich ihnen an und schaue, wie sie auf mich reagieren», sagt er.
«Meine Körpersprache ist dabei entscheidend»
Jedes Rudel und jedes Tier sei anders. Manche Hyänen hätten kaum Interesse an ihm. Andere zeigten Neugier, liessen sie aber nicht anfassen. Doch dann gäbe es ein paar Tiere, die ganz klar den körperlichen Kontakt mit ihm suchten und genössen, erklärt der Abenteurer. Das sei anders als beispielsweise bei Wildhunden oder Löwen, die seiner Erfahrung nach nicht an direktem Kontakt mit Menschen interessiert seien.
Hier im Sango-Schutzgebiet habe es etwa sechs Monate gedauert, bis sich das Rudel an ihn gewöhnt habe, erzählt Wolhuter. Zuerst seien die Tiere geflüchtet, sobald er aus dem Auto ausgestiegen sei. Doch nach vielen Nächten der Geduld hätten sie seine Präsenz akzeptiert. «Meine Körpersprache ist dabei entscheidend», sagt Wolhuter. Er begegne den Hyänen auf Augenhöhe, sei selbstbewusst, aber nicht arrogant. Die Tiere dürften ihn nicht als Bedrohung ansehen. Deshalb trage er auch keine Waffe. «Sobald Menschen Waffen tragen, fühlen sie sich überlegen, und die Tiere spüren das sofort», so der 65-Jährige.
Image der Hyänen aufpolieren
Hyänen haben in der Tierwelt einen schlechten Ruf. Sie gelten als hinterlistige, boshafte, dumme, feige und stinkende Aasfresser. Disneyfilme wie «Der König der Löwen» hätten diese Vorurteile bestärkt, meint Wolhuter. Zudem sei in afrikanischen Ländern der Aberglaube weit verbreitet, dass Hyänen Menschen verhexen können, sie ein schlechtes Omen seien, Unglück brächten. Dagegen will Wolhuter ankämpfen.
Mithilfe von Videos, die er auf seiner Instagram-Seite postet? Hauptsächlich mit seinem Handy und einer zweiten kleinen Videokamera gedreht, wolle er Menschen zeigen, wie die Tierwelt wirklich sei, «ohne Skript, ohne Hintergedanken, ohne geplantes Endergebnis», erklärt Wolhuter. Seine ungewöhnlich enge Beziehung zu den Hyänen erlaube es ihm, ihr Leben aus nächster Nähe zu dokumentieren. Er wolle zeigen, dass Hyänen ausgesprochen intelligente Tiere seien, gute Jäger, mutige Muttertiere.
«Wir leben nicht von der Natur getrennt»
«Ich lasse mich komplett auf die Tiere ein, bis ich fast spüren kann, wie es ist, dieses Tier zu sein. Ich laufe, renne, jage und schlafe mit den Tieren», sagt er. Diese Vertrautheit ermögliche es ihm manchmal sogar, ein neues Licht auf das Verhalten der Tiere zu werfen, das selbst der Wissenschaft neu sei.
Über die Jahre habe es immer wieder Kritiker gegeben, die Wolhuter vorwerfen, er greife in die Natur ein. Doch der Abenteurer hält dem Argument entgegen, dass er die Tiere weder füttere noch zähme und keine Waffe trage. «Ich überlasse es allein den Tieren, ob sie mit mir interagieren wollen oder nicht», sagt er. «Wir leben nicht von der Natur getrennt. Wir sind ein Teil von ihr. Deshalb könnte das, was ich tue, nicht natürlicher sein.» Wolhuter zieht keinen finanziellen Gewinn aus seinen Begegnungen mit den Hyänen, macht daraus keine Touristenattraktion.
Wolhuter ist sich wohl bewusst, welche Gefahren sein Hobby birgt. «Natürlich kann es manchmal wirklich brenzlig werden», sagt er. Das instinktive Angriffs- und Rudelverhalten sei tief in den Tieren verwurzelt. «Eine falsche Bewegung oder Fehlinterpretation könnte mir das Leben kosten.»