Die deutsche FDP ist im Hoch. Nach dem Rauswurf aus dem Bundestag vor acht Jahren holt sie derzeit bei Umfragen bis zu 13 Prozent der Stimmen – und liegt damit hinter der CDU/CSU, der SPD, den Grünen und vor der AfD auf Platz vier. Für diesen Erfolg verantwortlich ist Parteivorsitzender Christian Lindner (42), der Deutschland vor dem Abdriften nach links bewahren will.
Blick sprach mit dem Schweiz-Fan, der möglicherweise deutscher Finanzminister wird, über die deutschen Wahlen am 26. September und die Zeit nach der Ära Merkel.
Herr Lindner, die Welt schaut entsetzt nach Afghanistan, wo die Taliban innert kürzester Zeit die Macht übernommen haben. Wer ist schuld an diesem Debakel?
Christian Lindner: Es ist eine Niederlage des globalen Westens. Es zeigt sich, dass Nationenbildung von aussen kein Konzept ist, wenn es nicht Willen und Bereitschaft von innen gibt.
Auch deutsche Truppen waren in Afghanistan stationiert. Ein Fehler?
Zu Beginn, nach 9/11, war das ein Anti-Terroreinsatz, der richtig und wirksam war. Danach wurde die Mission aber ausgedehnt, auch über realistische Ziele hinaus. Man hat den geordneten Ausstieg verpasst. Darauf haben wir jetzt vier Jahre im Bundestag hingewiesen. Leider ohne Erfolg.
Wie wird Afghanistan die deutschen Wahlen beeinflussen?
Es gibt neben Afghanistan grosse Themen, etwa die Freiheitseinschränkung bei der Pandemiepolitik der Bundesregierung oder die Flutkatastrophe. Alles lässt sich in einem Punkt zusammenfassen: Der deutsche Staat ist heute nicht so handlungsfähig, wie er müsste. Dazu kommen der Klimaschutz, die Sorge um Jobs, solide Finanzen und die Renten. Auf jede zukünftige Regierung wartet viel Arbeit.
Wer wird die Wahlen gewinnen?
Es spricht nach wie vor viel dafür, dass die Union stärkste Kraft wird, auch wenn sie nach der Ära Merkel auf Orientierungssuche ist.
Der Wuppertaler Christian Lindner (42) wurde 2013 mit 34 Jahren zum jüngsten Bundesvorsitzenden der deutschen FDP gewählt, nachdem die Partei die Fünf-Prozent-Fraktionshürde für den Bundestag nicht geschafft hatte. Innert vier Jahren konnte Lindner die Stimmen für die FDP mehr als verdoppeln. Auch vor den Wahlen am 26. September befindet sich die FDP mit Umfragewerten von 13 Prozent weiter auf dem Steigflug. Der Bundestagsabgeordnete Lindner ist geschieden und lebt heute mit der RTL-Chefreporterin Franca Lehfeldt (32) zusammen. Lindner hat Politikwissenschaft sowie Staatsrecht und Philosophie studiert. Am Donnerstag referierte er am Schweizerischen Institut für Auslandforschung (Siaf) an der Uni Zürich.
Der Wuppertaler Christian Lindner (42) wurde 2013 mit 34 Jahren zum jüngsten Bundesvorsitzenden der deutschen FDP gewählt, nachdem die Partei die Fünf-Prozent-Fraktionshürde für den Bundestag nicht geschafft hatte. Innert vier Jahren konnte Lindner die Stimmen für die FDP mehr als verdoppeln. Auch vor den Wahlen am 26. September befindet sich die FDP mit Umfragewerten von 13 Prozent weiter auf dem Steigflug. Der Bundestagsabgeordnete Lindner ist geschieden und lebt heute mit der RTL-Chefreporterin Franca Lehfeldt (32) zusammen. Lindner hat Politikwissenschaft sowie Staatsrecht und Philosophie studiert. Am Donnerstag referierte er am Schweizerischen Institut für Auslandforschung (Siaf) an der Uni Zürich.
Somit hiesse der neue Kanzler Armin Laschet.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.
Vor vier Jahren haben Sie auf eine Beteiligung in der Regierung verzichtet und gesagt: «Besser nicht regieren als falsch regieren.» Wann wäre es jetzt richtig für Sie?
Es gilt dasselbe wie damals. Frau Merkel und die Grünen wollten 2017 einen Drift nach links. Das haben wir verhindert. Auch 2021 stehen wir dafür nicht zur Verfügung. Im Gegenteil, wir wollen eine schwarz-grüne Mehrheit verhindern. Deutschland ist schon links genug. Was wir anstreben, ist eine Koalition der Mitte, die den Wert der Freiheit wieder respektiert.
Warum schliessen Sie eine Regierungsbeteiligung der AfD aus? Deren Wähler sind ja nicht alles Rechtsextreme.
Zwischen Partei und Wähler muss man unterscheiden. Die AfD ist eine Partei, die zutiefst antiliberal, substanzlos und in sich zerstritten ist. Manche ihrer Wähler wollen auf Probleme hinweisen, wie Defizite in der Einwanderungspolitik der CDU. Da haben wir Ideen, die besser sind.
Nämlich?
Weniger Bürokratie bei der Einwanderung qualifizierter Fachkräfte und Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden, zugleich aber mehr Kontrolle beim humanitären Schutz, klare Anforderungen an Integration und konsequente Abschiebung von Menschen ohne Aufenthaltsrecht.
Stärkt man die AfD nicht, indem man sie ausschliesst?
Nein. Um es klar zu sagen, die AfD ist keine deutsche SVP. Und schon bei der SVP sehe ich vieles mit Sorge. Man kann mit der AfD nicht eine Partei in Verantwortung für einen Staat lassen, dessen Institutionen und Werte sie offen bekämpft.
Ein Phänomen sind die Grünen, die unglaublich zugelegt haben. Wie aber konnte es deren Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (u. a. wegen Plagiatsvorwürfen und nicht deklarierten Einkommen) dermassen verbocken?
Die Grünen waren lange eine Projektionsfläche für ein abstraktes Erneuerungsversprechen. Sie haben von der Schwäche der SPD profitiert. Anfangs haben manche das Thema Klimaschutz exklusiv mit den Grünen verbunden. Das endet. Klimaschutz ist so wichtig, dass die Liberalen ihn von der Verbindung mit linkem und grünem Denken befreien müssen. Die Grünen empfehlen, Deutschland zum Moral-Weltmeister zu machen. Wir müssen aber vielmehr zum Technologie-Weltmeister werden.
Wie wollen Sie das Klima retten?
Es funktioniert nicht mit Verboten und moralischen Appellen, sondern nur durch Cleantech, Spitzeninnovation, Wasserstoff, Windparks vor den Küsten, synthetische Kraftstoffe, Züchtung von Algen, Aufforstung des Waldes, dezentrale Energieerzeugung und -speicherung, die durch künstliche Intelligenz gesteuert wird. Und vieles mehr.
Wenn die FDP in der Regierung mitwirkt, werden Sie Minister. Welches Amt streben Sie an?
Die besten Beiträge könnten wir im Finanzministerium leisten. Mit uns gibt es keine Steuererhöhungen, die alle linken Parteien wollen und die die CDU nicht klar ausschliesst. Und mit uns gibt es kein Aufweichen der Schuldenbremse, was ebenfalls alle linken Parteien wollen und die CSU nicht klar ausschliesst.
Welchen Stellenwert hätte bei einem Minister Lindner die Schweiz?
Nach dem geplatzten Rahmenabkommen darf es zwischen der Schweiz und der EU nicht zu einem Strömungsabriss in den Beziehungen kommen. Wir müssen alles unternehmen, damit sich die Schweiz auf diesem Kontinent nicht isoliert. Da können wir sicher die Rolle eines Brückenbauers übernehmen. Persönlich fühle ich mich der Schweiz verbunden als einem freiheitsliebenden Land.
Was erwarten Sie umgekehrt von der Schweiz?
Die Schweiz muss sich fragen, wie sie ihr Verhältnis zur EU definieren will. Hier möchte ich der Schweizer Politik keine Ratschläge aufdrängen. Eine Dynamisierung der bilateralen Abkommen sollte aber erreichbar sein. Die Rechtssysteme sollten nicht auseinanderfallen.
Das wollte Christian Lindner diesen Persönlichkeiten schon immer sagen:
Joe Biden: «Sie haben richtigerweise die Herausforderung China angenommen, aber fälschlicherweise ohne Ihre Koalitionspartner in Afghanistan ein Chaos hinterlassen.»
Greta Thunberg: «Vertrau mehr auf die von dir kritisierten Future Technologies, denn sie sind gar nicht so weit weg und die einzige Chance, das Klima global zu schützen.»
Angela Merkel: «Wenn Sie jetzt mehr Zeit für sich haben, dann geniessen Sie diese.»
Petra Gössi: «Du bist eine mutige Kollegin und hast durch die Neuaufstellung der FDP ermöglicht, dass die FDP Schweiz 2022/23 einen grossen Erfolg erzielen kann.»
Donald Trump: «Da fällt mir nichts ein.»
Christoph Blocher: «Wer die Freiheit wirklich liebt, geht die Dinge anders an als Sie.»
Helene Fischer: «Sie sind eine grossartige Künstlerin mit genauso viel Talent wie Disziplin. Sie haben meinen grössten Respekt, obwohl ich auf meiner Playlist eher andere Musik habe.»
Das wollte Christian Lindner diesen Persönlichkeiten schon immer sagen:
Joe Biden: «Sie haben richtigerweise die Herausforderung China angenommen, aber fälschlicherweise ohne Ihre Koalitionspartner in Afghanistan ein Chaos hinterlassen.»
Greta Thunberg: «Vertrau mehr auf die von dir kritisierten Future Technologies, denn sie sind gar nicht so weit weg und die einzige Chance, das Klima global zu schützen.»
Angela Merkel: «Wenn Sie jetzt mehr Zeit für sich haben, dann geniessen Sie diese.»
Petra Gössi: «Du bist eine mutige Kollegin und hast durch die Neuaufstellung der FDP ermöglicht, dass die FDP Schweiz 2022/23 einen grossen Erfolg erzielen kann.»
Donald Trump: «Da fällt mir nichts ein.»
Christoph Blocher: «Wer die Freiheit wirklich liebt, geht die Dinge anders an als Sie.»
Helene Fischer: «Sie sind eine grossartige Künstlerin mit genauso viel Talent wie Disziplin. Sie haben meinen grössten Respekt, obwohl ich auf meiner Playlist eher andere Musik habe.»
Sie pflegen nahen Kontakt zur Schweizer FDP. Haben Sie den künftigen Präsidenten Thierry Burkart schon kennengelernt?
Ja, ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen. Die FDP-Bundesräte traf ich neulich in Ascona, heute sass ich mit Andrea Caroni zusammen. Ausgerechnet mit Thierry hatte ich noch keinen engen Austausch. Aber bald.
Was empfehlen Sie der Schweizer FDP: Wie soll sie die Flügelkämpfe beenden?
Die Schweizer FDP ist eine Traditionspartei mit sehr grossen Erfolgen und einem höheren Stimmenanteil, als wir ihn haben. Es wäre vermessen, Ratschläge zu erteilen. Nach meiner Beobachtung sollte man die sogenannten Flügelkämpfe nicht überbewerten. Nach dem Volks-Nein zu einer höheren CO2-Abgabe fokussiert sich die FDP beim Klimaschutz noch mehr auf marktwirtschaftliche Instrumente. Das ist in meinen Augen der richtige Weg, um wirksam agieren zu können. Die Schweiz hat gerade in diesem Bereich ihre Stärken: Wegen fehlender natürlicher Ressourcen musste sie schon immer auf Innovation setzen – und das tat sie immer mit Erfolg.
Im September tritt Kanzlerin Angela Merkel zurück. Wie lautet Ihre Bilanz?
Ich zolle ihr Respekt dafür, dass sie ihre unzweifelhaft vorhandenen intellektuellen Gaben und ihre Lebensenergie für die öffentliche Sache eingebracht hat.
Das tönt etwas sarkastisch.
Nein. Aber eine objektive Bilanz sollten Historiker vorlegen. Es ist leider Tatsache, dass Deutschland im Jahr 2021 bei der Digitalisierung, der Bildung, der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, der Enkeltauglichkeit der Sozialsysteme, des wirksamen Klimaschutzes und bei wesentlichen Staatsfunktionen wie den Streitkräften enormen Nachholbedarf hat.
Angela Merkel sorgte in der EU für Stabilität.
Ich bin mir nicht sicher, ob die EU nach 16 Jahren Merkel so viel stabiler ist als zuvor, wenn ich mir die Konfliktlinie zwischen Ost und West, das Ausscheiden Grossbritanniens und die ungelösten Konflikte in der Wirtschafts- und Währungsunion ansehe. Auch diesbezüglich haben wir viel zu tun.
Viele Schweizerinnen und Schweizer werden Frau Merkel vermissen. Wie ist es in Deutschland?
Es ist klar, dass man sich in 16 Jahren an einen Menschen gewöhnt hat, auch an der Spitze eines Nachbarstaates. Für Deutschland allerdings sehe ich jetzt die Zeit für einen politischen Aufbruch.