Die SPD stürzt die Grosse Koalition (GroKo) in eine Krise, die die Regierung ins Wanken bringt. Auch «Teflon»-Bundeskanzlerin Angela Merkel (64) kann sich kaum länger aus der Verantwortung fürs Debakel stehlen.
«Wir werden die Regierungsarbeit fortsetzen mit aller Ernsthaftigkeit und vor allen Dingen auch mit grossem Verantwortungsbewusstsein», erklärte Merkel nach Nahles' Rücktritt. Durchhalten um jeden Preis, lautet die Parole.
Opposition fordert Neuwahlen
Reichen sich jetzt linke und rechte Kräfte die Hand? Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner (42) schliesst einen Koalitionswechsel ohne Neuwahlen aus. Auch Dietmar Bartsch (61), Chef der Linksfraktion, fordert Neuwahlen. «Die ehemals grosse Koalition bewegt sich im Chaos», sagte Bartsch im ZDF. AfD-Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland (78) ist gleicher Meinung: «Wir wollen Neuwahlen.»
Allein aus der vierten Oppositionspartei FDP kam noch keine Forderung nach Neuwahlen. Der Chef der Liberalen, Christian Lindner, schrieb auf Twitter lediglich, Nahles' Rücktritt führe zu einer instabilen Regierung.
Minderheitsregierung?
Deutschland steht vor verschiedenen Szenarien. Weiterwursteln, Neuwahlen oder Minderheitsregierung. In jedem Fall steht dem Land ein langer, quälender Prozess bevor. Merkels Stern sinkt, und ein Kanzlerkandidat der SPD scheint unwahrscheinlich.
Erst muss das Vertrauen der Wähler wiedergewonnen werden. Das Europawahlergebnis war niederschmetternd, die Aussichten für die kommenden Wahlen trübe. Die SPD-Wähler zieht es in Scharen zu den Grünen, die AfD kann sich halten und die FDP wartet auf den richtigen Zeitpunkt.
Für Merkel spricht allein die Fragmentierung von Deutschlands Politik-Landschaft. Das betrifft Regierung und Opposition. Mit ihren Anteilen versuchen CDU, CSU und SPD erstmal, irgendwie gemeinsam über die Runden zu kommen. Und wenn es zum GroKo-Bruch kommt, wird sich die Union auch mit einer Minderheitsregierung im Amt halten wollen.
Und wann geht die Kanzlerin?
Wie lange sie das könnte? Selbst die CDU kämpft unter Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (56) mit Führungsproblemen. Trotz klarem Verdikt der Wähler klammert sich die GroKo an die Macht.
Untergangsstimmung macht sich breit. Selbst Thomas Oppermann (65, SPD), Vizepräsident des Deutschen Bundestages, stellt laut der «Bild» die Zukunft der Koalition in Frage. Es sei «offen, ob es Weihnachten die GroKo noch geben wird».
Bei der Europawahl vergangene Woche fiel die Zustimmung für die GroKo auf ein Rekordtief. Deutschlands Regierungsparteien fürchten jeden neuen Wahlgang. Deutschland fragt sich: Und wann geht die Kanzlerin? Wohl nur in der Opposition finden Union und SPD zu ihrer Identität zurück. (kes)