An der ostukrainischen Stadt Bachmut beissen sich die russischen Truppen seit Monaten die Zähne aus – obwohl die strategische Rolle der Stadt für Russland den westlichen und ukrainischen Militärs nicht klar war. Auf Telegram behauptet Jewgeni Prigoschin (61), der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, nun: Das Objekt der Begierde sei nicht unbedingt die 74'000-Einwohner-Stadt selbst, sondern das darunterliegende Tunnelsystem.
«Das Sahnehäubchen obendrauf ist das Minensystem von Soledar und Bachmut, das eigentlich ein Netz unterirdischer Städte ist», erklärte Prigoschin am Samstag nach Reuters-Angaben. «Es kann nicht nur eine grosse Gruppe von Menschen in einer Tiefe von 80 bis 100 Metern aufnehmen – auch Panzer und Schützenpanzer können sich darin bewegen.» Bereits im Ersten Weltkrieg sollen in diesem Tunnelsystem Waffen gelagert worden sein.
Der Kampf um Bachmut
Dass sich in der Region rund um Bachmut ein Tunnelsystem von über 160 Kilometern erstreckt, ist bekannt. Allerdings gehören diese Tunnel zu Bergwerken, unter anderem Salz- und Gipsminen. Aus US-Kreisen war Reuters zufolge am Donnerstag verlautet, Prigoschin wolle aus kommerziellen Gründen die Kontrolle über die Region übernehmen. Es gebe Hinweise darauf, dass finanzielle Motive Russlands und Prigoschins «Besessenheit» von Bachmut antreiben, zitierte Reuters einen namentlich nicht genannten Beamten.
Über die von Prigoschin erwähnte militärische Verwendung dieser Anlagen ist allerdings nichts bekannt.
Russen beissen sich an «östlicher Festung» die Zähne aus
Seit über fünf Monaten versuchen Russlands Soldaten erbittert, die «östliche Festung» Bachmut einzunehmen, doch die Offensive gerät immer wieder ins Stocken. Prigoschin erläuterte diese Teilniederlage vor einigen Wochen: «In Bachmut stellt jedes Haus eine Festung dar», so der Wagner-Chef. Seine Soldaten würden um jedes einzelne Haus kämpfen. «Manchmal brauchen sie mehr als einen Tag, um ein Haus zu erobern, manchmal benötigen sie gar Wochen.»
Das Problem liege in der starken Abwehr der ukrainischen Streitkräfte. Deren Verteidigung zu durchbrechen, sei eine enorme Herausforderung. Prigoschin spricht von Hunderten Verteidigungslinien in der ganzen Stadt. «In Bachmut hat es bestimmt alle zehn Meter eine Verteidigungslinie», so der Boss der Söldnergruppe im Video.
Wie lange die Kämpfe in Bachmut noch toben werden, ist unklar. Britische Militärexperten halten einen wesentlichen Durchbruch des russischen Militärs in den kommenden Wochen für unwahrscheinlich. Das ging am Dienstag aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London hervor. (chs)