Sie haben Kosenamen, sehen aus wie Fische. Doch «Sea Baby», «Marichka», «Toloka» oder «Orca» sind alles andere als possierlich. Mit den hypermodernen Unterwasser-Drohnen will die Ukraine Putin stürzen und den Krieg gewinnen. Nicht an der Landesfront, sondern im Schwarzen Meer hat die Ukraine bedeutende Erfolge erzielt. Blick erklärt mit fünf Fragen Selenskis Siegesstrategie.
Wie ist die Lage im Schwarzen Meer?
Ukrainische Drohnen- und Raketenangriffe auf russische Schiffe, Werften, Munitionslager und Infrastruktur haben im vergangenen Jahr grosse Teile der Schwarzmeerflotte von der Krim vertrieben. Im Herbst liess Wladimir Putin (71) seine Landungsschiffe, Fregatten und U-Boote von ihrem Hauptstützpunkt in Sewastopol in den 300 Kilometer östlich gelegenen Hafen von Noworossiysk auf russisches Kernland verlegen. Eine Schlappe für Russland, ein Erfolg für die Ukraine. Russland beschiesst zwar nach wie vor mit Langstreckenraketen die ukrainischen Häfen, doch auf dem Meer zeigen die Angriffe kaum Wirkung. Gefährlich für die Schifffahrt sind jedoch noch immer Russlands sogenannten «Geisterminen», die im Wasser treiben.
Was bedeutet Russlands Schwäche für den Getreideexport?
Obwohl der Kreml im Juli 2023 den mit der Uno ausgehandelten Korridor für ukrainische und internationale Frachter wieder aufkündigte, gelang es jedoch nicht den Seeweg zu blockieren. So lässt die Ukraine Handelsschiffe von und zu ihren Häfen in Küstennähe navigieren. Bislang ohne nennenswerte Zwischenfälle. Dort ist das Wasser seicht und vor russischen U-Booten sicher. Der Getreideexport in den Nahen Osten blüht seitdem und erreicht wieder Vorkriegsniveau.
Was hat Selenski mit der Krim vor?
Während sich ukrainische und russische Streitkräfte an der Landesfront in einem zermürbenden Stellungskrieg aufreiben, zeigt sich die Schlagkraft der ukrainischen Marine. Oberstes Ziel ist die Zurückeroberung der Krim. Denn, so Selenskis Kalkül, fällt die Halbinsel zurück an die Ukraine, würde das den Krieg beenden. Die Krim ist für Russland von starkem symbolischen Wert. Sie steht für die Macht der Schwarzmeer-Flotte und für die des Kreml-Chefs. Ihr Verlust könnte für Putin das politische Ende bedeuten.
Mit welchen Waffen schlägt die Ukraine den russischen Goliath?
Da das Land keine grosse Seestreitkraft hat, setzt es auf Schiffsdrohnen und gezielten Raketenbeschuss. Tatsächlich gelang die Vertreibung der Schwarzmeerflotte von der Krim ohne den Einsatz eines einzigen Kriegsschiffes. Schon in der Vergangenheit zeigte sich die Schlagkraft der Hi-Tech-Waffen. Im April 2022 versenkten beispielsweise zwei ukrainische Seezielflugkörper des Typs Neptun das russische Flaggschiff Moskwa. Fünf Monate später attackieren Marschflugkörper russische U-Boote auf der Krim. Seit dem Sommer wurde die hochmoderne unbewachte Überwasserdrohne «Sea Baby» zum Angriff auf die Krim-Brücke, auf ein russisches Landungsschiff und ein Patrouillenboot eingesetzt. Im Dezember und im Januar 2024 haben offenbar ukrainische Schiffsdrohnen weitere zwei russische Kriegsschiffe versenkt.
Wie wirken «Sea Bay», «Marichka» und «Toloka»?
Die unbemannte Überwasserdrohne «Sea Baby» kann 850 Kilo Sprengstoff transportieren und hat eine Reichweite von 1000 Metern. Die kleine Schwester heisst «Marichka», auf Deutsch «Mariechen». Sie ist eine unbemannte Unterwasserdrohne und hat Kapazität für 500 Kilo Sprengstoff. Beide sind von Radarsystemen kaum ortbar.
Die Kamikaze-Drohnen sind nur die Vorhut. Wolodimir Selenski (46) plant eine ganze Drohnen-Armee, die «First Ukrainian Robotic Navy», kurz «Fury» genannt. Bald sollen Unterwasserdrohnen in der Form von Pottwalen oder Rochen eingesetzt werden. Die völlig autonom agierenden Unterwasserboote sind bis zu zwölf Meter lang und können 5000 Kilo Sprengstoff tragen. Wie «Futurezone» berichtet, befinden sich die Drohnen bereits im Wasser und «lauern» russischen Kriegsschiffen auf. Die ukrainische Militärtech-Cluster Brave1 hat den Prototyp «Toloka» – ausgestattet mit 3D-Sonar, Hydrophon-System und Kameras – vorgestellt. Die Unterwasserdrohne kann, laut dem Militärportal Militarnyi, die Umgebung selbstständig scannen. Schliesslich hätte die Ukraine auch das «Orca» gern. Das mit 25 Metern wohl grösste unbemannte U-Boot wird von Boeing hergestellt.