Die Ruag ist in den vergangenen Monaten vor allem mit Negativmeldungen aufgefallen: gescheiterte Verkaufsverträge mit Rheinmetall, gescheiterte Waffenlieferungen aus Altbeständen der Schweizer Rüstungsfirma zugunsten der Ukraine und juristisches Chaos rund um allfällige Panzerdeals mit Deutschland. Anfang August nahm dann auch Ruag-Chefin Brigitte Beck den Hut – nach nur knapp einem Jahr im Amt.
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Nach all dem Tohuwabohu kann die Ruag gute Nachrichten gebrauchen. Die Gründung einer neuen Firma ist so eine: Die Swiss Innovation Forces, kurz Innoforces, ist eine Tochterfirma der Ruag MRO Holding AG und die neue Innovationsagentur des VBS und der Armee. Die Firma wurde bereits im Sommer 2022 im Handelsregister eingetragen. Die volle Arbeit hat sie erst in den vergangenen Wochen aufgenommen.
Die Innovationsstärke der Truppen fördern
Swiss Innovation Forces ist ein direktes Resultat der strategischen Überlegungen von Bundesrätin Viola Amherd und der Armeeführung rund um Korpskommandant Thomas Süssli. Der Zweck: die Armee im Rahmen der Vision 2030 zukunftsfähig zu machen, indem sie die Innovationsgeschwindigkeit und -stärke der Truppen fördert.
«Spätestens seit dem Krieg in der Ukraine und dem Einsatz von handelsüblichen Drohnen für den Privatgebrauch in den Reihen der Streitkräfte wurde deutlich, wie zentral für Armeen die rasche Annahme neuer Technologien geworden ist», sagt Innoforces-CEO Mathias Maurer. Diese sollen der Schweizer Armee zugänglich gemacht werden.
Das Team rund um Maurer ist 15 Mann und Frau stark. Aktuell werden sowohl weitere Mitarbeitende gesucht als auch Startups mit innovativen Produkten und Lösungen, die einen Mehrwert bei den Truppen bringen. Das gehört zu den Kernaufgaben der Schweizer Innoforces.
Dual-Use-Güter im Fokus
Interessiert ist man vor allem an Dual-Use-Gütern, konkret an sogenannten Cots/Mots-Produkten. Cots steht für Commercial Off The Shelf – das sind Produkte, die in Serie gefertigt und völlig unverändert benutzt werden können. Mots steht für Modifiable Off The Shelf, das sind Cots-Produkte, die an die Kunden- beziehungsweise Truppenbedürfnisse angepasst werden können.
Die Produkte sollen «noch genügend innovativ und anpassbar sein, damit sie bei der Truppe und bei der Verwaltung rasch einen messbaren Mehrwert bringen», sagt Maurer. «Es geht dabei um neue Technologien für die Truppe, die ausreichend reif sind und für die Armee nutzenstiftend eingesetzt werden können.» Er will mit dem Unternehmen innovative Produkte für die Schweizer Armee auf dem freien Markt finden, mit potenziellen Nutzern und Nutzerinnen testen und rasch in die Organisation bringen.
Nach den Modellen Deutschlands und Israels
Die Armee verfolgt damit ähnliche Ansätze, wie sie in Deutschland und Israel längst gang und gäbe sind. In Deutschland ist das Äquivalent der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr. Der Hub bezeichnet sich als «Do-Tank» (statt Think-Tank) und ist der Innovationstreiber für die deutschen Streitkräfte. Dessen Motto: «Brücken schlagen zwischen der Bundeswehr und der Startup-Welt.»
In Israel brauchen die Streitkräfte schnelle Antworten auf ihre Herausforderungen, dort muss die Markteinführung von für die Truppen relevanten Produkten rasch erfolgen. Das Land betreibt dazu das Programm Innofense unter der Leitung des Direktorats für Forschung und Entwicklung des Verteidigungsministeriums (DDR&D).
Auch die Swiss Innovation Forces versteht sich als Innovationsagentur. Dazu gehören Entwicklungen im Verteidigungsbereich wie etwa Drohnen, Roboter, KI-Lösungen und Weltraumtechnologien. Auch Low-Tech-Anwendungen gehören dazu, wie verbesserte Online-Bestellsysteme, die an Zalando oder Amazon erinnern: für die Zustellung von Ersatzkleidung bis ans Feldbett oder neu entwickelte, wetterfeste Zelte für Soldaten.
Das Rad nicht neu erfinden
Die Idee vom VBS als oberste Behörde ist simpel: Oft muss das Rad nicht neu erfunden werden, denn Lösungen für Probleme sind auf dem freien Markt vorhanden, jedoch der Organisation noch nicht bekannt. Maurers Team soll diese für die Armee ausforschen, an der Schnittstelle zur Marktwirtschaft.
Angeführt wird das Unternehmen von erfahrenen Leuten mit Armee-, Business- und Innovationshintergrund. CEO Maurer ist der Mann der Truppe, mit Erfahrung als Kommandant eines Infanteriebataillons und der «Matchmaker» von Firmen und Armee.
Geschäftsleitungsmitglied Michael Noorlander hat sich einen Namen als Co-Gründer der Online-Bank Neon gemacht. Er kümmert sich um die Testung der Innovationen und deren Umsetzung.
Elias Schäfer kommt ebenfalls aus der Gründer- und Startup-Szene und war Grossrat im Kanton Basel-Stadt. Er kümmert sich um den Auf- und Ausbau einer Innovations-Community innerhalb der Armee.
Präsident der Innoforces ist das Ruag-MRO-Geschäftsleitungsmitglied Thomas Kipfer. Er sitzt auch im Verwaltungsrat der Zuger Kryptografiefirma Cy One, welche die Ruag im Sommer dieses Jahres gekauft hat.
Für Soldaten im Feld und in der Schreibstube
Zwischen drei und sechs Monaten geben sich die Startup-Späherinnen jeweils Zeit, um ein Produkt zu testen und herauszufinden, ob die Innovation Sinn ergibt. Einzig und allein entscheidend ist, ob eine Idee strategische Relevanz für Armee und Truppen besitzt. Ist dies der Fall, soll das Produkt skaliert und zu den Soldaten im Feld bis hin zu jenen in der Schreibstube kommen.
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Das Geld dafür kommt vom Steuerzahler. Die Swiss Innovation Forces arbeiten nicht gewinnorientiert. «Als Innovationsagentur der Armee rechnen wir unsere Leistungen direkt mit der Armee ab», sagt Maurer. Das Budget werde zwar nicht veröffentlicht. Der Firmenchef betont aber, «die Mittel sind nicht à fonds perdu, die Armee bezahlt uns nur für Leistungen, die wir tatsächlich erbringen». Das öffentliche Geld fliesst in die akquirierten Produkte und zu den Mitarbeitenden. Acht Projekte laufen bereits. Allfällige Überschüsse fliessen zurück an die Armee und damit ans VBS.
Gut für die Armee, gut für die Bundesverwaltung
Direkt in die Lieferanten und Startups wird hingegen nicht investiert. Denn die Innoforces hat ein Mandat als Innovationsagentur, nicht als Beteiligungsvehikel. Wobei für Maurer wichtig ist, «unternehmerisch zu handeln und so effizient zu arbeiten, wie es jede andere Firma tut».
Sollte das Modell Schule machen, könnte der Bund laut Maurer diese Form der Innovationsarbeit auf die gesamte Bundesverwaltung ausdehnen, über Armee und VBS hinaus.