Die geplatzte Sex-Party schlug wie eine Bombe ein. Nicht nur, dass der prominente rechtskonservative EU-Abgeordnete Jozsef Szajer (59) in Brüssel bei einer Party von Homosexuellen erwischt worden war. Es wurden auch Drogen konsumiert. Die Polizei fand Kokain und einen Rucksack voller Ecstasy. Und laut Staatsanwaltschaft wiesen sich mindestens zwei Partygäste als Diplomaten aus. Neben Szajer hatte auch ein Diplomat aus Estland an der Orgie teilgenommen.
Der Ungar Szajer hatte noch nackt über eine Regenrinne aus der Privatwohnung im 1. Stock zu flüchten versucht. «Die Hände des Mannes waren blutig», so die Staatsanwaltschaft. «Es ist möglich, dass er sich bei seiner Flucht verletzt hat.»
Die Party hatte der 29-jährige, in Polen aufgewachsene David Manzheley organisiert. Gegenüber der belgischen Zeitung «HLN» packte Manzheley freimütig über die Orgie aus. Mit seiner «Lockdown-Sexparty» gegen Corona-Regeln verstossen zu haben, das sieht der angebliche Student nicht ein. Nachbarn hatten die wilde Party bei der Polizei gemeldet, worauf die Razzia folgte. Manzheley: «Wir waren sehr vorsichtig, jeder hat schon Corona gehabt.»
«Sehe nicht, was das Problem ist»
25 Männer waren in Manzheleys Wohnung. Er, der Veranstalter, habe nicht gewusst, dass auch ein Europa-Abgeordneter dabei war: «Ein Mitglied des Europäischen Parlaments? Das wusste ich nicht.» Er habe nichts falsch gemacht: «Um ehrlich zu sein, ich verstehe nicht, was das Problem ist. Es waren auch zwei Krankenschwestern anwesend, sie hielten es auch nicht für gefährlich.»
Auf seinen Partys lade er immer ein paar Freunde ein, die wiederum Freunde mitbringen: «Und dann machen wir es uns gemeinsam gemütlich. Wir reden ein bisschen, wir trinken ein bisschen - wie in einer Kneipe», so der gebürtige Pole. Der einzige Unterschied sei, «dass wir dabei auch Sex miteinander haben. Ich sehe nicht, was daran falsch ist.»
Gäste dachten, Razzia sei Teil der Orgie
Manzheley ist von seiner Unschuld so sehr überzeugt, dass er die Journalisten auch durch die Wohnung führt, in der die Sexparty stattfand. Die Wände sind mit Totenschädeln dekoriert. Im Wohnzimmer steht ein tiefes Bett, in einer Ecke ein zum DJ-Mischpult umfunktioniertes Pult. Die Wohnung sieht auch aus wie eine spärlich eingerichtete Studentenbehausung. Nur, dass sich darin auch ein hoher, inzwischen zurückgetretener Fidesz-EU-Politiker bis auf die nackte Haut amüsierte.
Manzheley erinnert sich. Es war Freitagabend vor einer Woche, gegen 21.30 Uhr. Die Wohnungstür flog auf. «Plötzlich war meine ganze Wohnung voller Bullen. Die Polizisten haben sofort geschrien: ‹Personalausweis! Jetzt!› Aber wir hatten nicht einmal Hosen an. Wie in Gottes Namen hätten wir so schnell unseren Ausweis herbeizaubern sollen?» Einige Gäste der Orgie waren so zugedröhnt, dass sie Polizeibeamte angrapschten. Sie dachten wohl an einen Uniformen-Fetisch und hätten versucht, «den Polizisten die Hosen zu öffnen. Sie dachten, die Razzia sei Teil der Orgie», so Manzheley.
In Ungarn ist man nicht nur empört über das Verhalten des rechtskonservativen Szajer, der verheiratet ist und eine Tochter hat. So wird Szajer auch Scheinheiligkeit vorgeworfen. Er habe sich als Politiker lauthals dagegen geäussert, dass LGBT-Menschen – Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen – in der ungarischen Verfassung Rechte zugestanden werden. «Dabei amüsierte er sich in einem für LGBT-Menschen offenen Brüssel», so der ungarische Journalist Szabolc Panyi, der auf Twitter zudem eine Quelle zitierte, wonach der angebliche Moral-Apostel auch immer gerne «nach Thailand reiste, weil dort junge Buben verfügbar» seien.
Bunga Bunga in Brüssel - und Opfer einer deutschen Geheimdienstfalle?
Regierungsnahe, konservative Medien in Ungarn haben allerdings bereits damit begonnen, Szajers Schuldfrage bei fremden, übelwollenden Mächten zu suchen. Es wird spekuliert, deutsche Spione des Bundesnachrichtendienstes (BND) könnten die Sexfalle aufgestellt haben. Damit solle die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban (57) im Vorfeld des EU-Krisengipfels diese Woche geschwächt werden.
Ungarn sowie Polen blockieren seit Wochen den EU-Haushalt der kommenden sieben Jahre plus die Corona-Wiederaufbau-Hilfen. Es geht um umgerechnet 1,95 Billionen Franken. Die EU-Querdenker wollen verhindern, dass die Ausschüttung ihrer EU-Milliarden künftig an das Einhalten von Rechtsstaatsprinzipien geknüpft wird. Im Europäischen Rat stehen die restlichen 25 Länder dagegen geschlossen auf der anderen Seite. Szajer, so spekulieren diese ungarischen Medien, sei bloss ein Bauernopfer gewesen, um Budapest zu blamieren. (kes)