68 Prozent der Briten bewerten ihren Premierminister Rishi Sunak (44) als «sehr schlecht». Das ergab eine repräsentative «YouGov»-Umfrage vergangene Woche. Da kommen die von Sunak höchstpersönlich einberufenen Neuwahlen am 4. Juli gerade recht für die vielen enttäuschten Wähler. Für Sunak selbst ist es allerdings der schlechteste Zeitpunkt, um sich zur Wiederwahl zu stellen.
Schliesslich liegt seine Partei, die konservativen Tories, ganze 20 Prozentpunkte hinter der oppositionellen Labour-Partei. Ein konservativer Sieg im Juli liegt in weiter Ferne. Trotzdem ist die überstürzte Neuwahl Sunaks seine einzige Chance auf eine weitere Amtszeit.
Was hat Rishi Sunak geschafft?
Sunak ist seit etwas mehr als zwei Jahren Premierminister Grossbritanniens. Damit hat er zumindest etwas geschafft: Er hielt es länger im Amt aus als seine Vorgängerin, Liz Truss (48) – sie musste bereits nach 44 Tagen an der Spitze wieder gehen. Aber auch Sunak wird es wohl nicht schaffen, eine reguläre Amtszeit von vier Jahren zu meistern.
Der noch junge Politiker hat von seinen Vorgängern viele Probleme geerbt: eine schwächelnde Wirtschaft, die sich seit dem von Boris Johnson (59) umgesetzten Brexit nicht wirklich erholt hat. Hohe Lebensunterhaltungskosten, die die britische Bevölkerung kaum stemmen kann. Dazu kommen zwei Kriege – in der Ukraine und in Gaza –, die die ganze Welt beschäftigen. Die Inflation in Grossbritannien ist aktuell so hoch wie seit den 1970ern nicht mehr. Zwischenbilanz: Sunak hat es bisher nicht geschafft, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
Das zeigte sich auch in den Regionalwahlen von Anfang Mai – die historisch schlecht waren für die Tories. Die Konsequenz: Wie ein begossener Pudel stand Sunak am 22. Mai vor den Türen der Downing Street und kündigte spontane Neuwahlen Anfang Juli an. Diese Entscheidung mutet riskant an, die Tories sind beim britischen Volk in Ungnade gefallen. Dass Sunak Anfang Juli wiedergewählt wird, ist unwahrscheinlich. Dabei hätte er bis Januar 2025 Zeit gehabt, Neuwahlen anzusetzen. Wieso also nicht abwarten, Tee trinken und auf bessere Zeiten hoffen?
Jetzt – oder nie
Weil keine besseren Zeiten kommen werden. Gerade erst schaffte es die Regierung, die Inflation unter die wichtige Zielmarke von zwei Prozent zu drücken. Sunak konnte endlich sein lang erwartetes Ruanda-Abschiebe-Programm durchboxen. Die Arbeitslosigkeit ist relativ niedrig. Bald geht die Fussball-Europameisterschaft los, England gehört zum Favoritenkreis. Die Briten freuen sich auf einen sorglosen Sommer. Und vergessen ja vielleicht all die Patzer der konservativen Regierung, kalkuliert Sunak.
Doch er könnte sich verrechnet haben: Nach den ersten zwei Wochen Wahlkampf sieht es schlecht aus für ihn. Er verliert den Rückhalt vieler seiner Parteikollegen und schafft es nicht, sich selbst in ein gutes Licht zu rücken. Das nutzt die Labour-Partei, die mit ihrem Vorsitzenden Keir Starmer (61) ins Rennen geht, schamlos aus. Die Labour-Partei verspricht, es besser zu machen als Sunak und die Tories. Doch die beiden Rivalen sind sich politisch ähnlicher, als beide Parteien zugeben wollen.
Sunak, Starmer – alles dasselbe
Beide Kandidaten kommen ursprünglich aus der Privatwirtschaft, wo noch heute das Augenmerk beider liegt. Das Aufpäppeln der britischen Wirtschaft ist das Herzstück beider Wahlkampagnen. Und auch beim Thema Migration sind sich die beiden ähnlicher, als den Wählern lieb ist: Einen Monat vor der Parlamentswahl hat Keir Starmer erstmals das wichtige Wahlkampfthema Migration aufgegriffen. «Hört genau zu – ich werde die Einwanderungszahlen senken», sagte Starmer am Samstag in einem Interview mit der Boulevardzeitung «The Sun». Genau wie die konservativen Tories also.
Viel ändern wird sich also nicht, wenn Labour die Wahl gewinnt, schreibt «Guardian»-Kolumnist Aditya Chakrabortty. «Same, same but different», so die Auffassung. Laut einer Umfrage der BBC werden 45 Prozent der Briten aber wohl Labour wählen – so kommt zumindest etwas frischer Wind an die Downing Street.
Wer passt besser zu den USA?
Die Briten sind zunehmend desillusioniert, das Land dreht sich politisch im Kreis. Aber bei diesen Wahlen geht es nicht nur um innenpolitische, sondern auch um aussenpolitische Themen. Schliesslich steuert die Welt auf ein grosses Fragezeichen zu: Wer wird in den USA im November zum Präsidenten gewählt? In Grossbritannien stellt sich jetzt die Frage: Welcher britische Premier wird am besten mit welchem amerikanischen Präsidenten klarkommen?
Die kurze Antwort: Sunak und Starmer würden sich beide besser mit Demokrat Joe Biden (81) als mit Republikaner Donald Trump (77) vertragen. Schliesslich verfolgen beide Briten eine ähnliche Weltpolitik wie Biden – ganz nach dem Motto Kooperation und internationales Engagement. Das steht im starken Kontrast zu Trumps «America first»-Politik. Es kommt also nicht darauf an, wer in England gewählt wird – sondern wer in den USA die kommenden vier Jahre das Sagen hat. Und wer weiss schon, ob der nächste britische Premier es überhaupt so lange aushält ...