Brandbrief von 10 Ex-Pentagon-Chefs
Kann Trump wirklich das Militär einschalten?

Zehn frühere Verteidigungsminister pochen auf die Neutralität der Streitkräfte. Doch der Amtsinhaber schweigt.
Publiziert: 04.01.2021 um 12:53 Uhr
|
Aktualisiert: 19.01.2021 um 23:20 Uhr
1/8
US-Präsident Donald Trump will das Militär aufbieten.
Foto: keystone-sda.ch
Fabienne Kinzelmann

Die Ansage ist deutlich: Zehn frühere US-Verteidigungsminister haben davor gewarnt, das Militär im Wahl-Zoff zu missbrauchen. Die Streitkräfte einzuschalten würde die USA in «gefährliches, gesetzeswidriges und verfassungswidriges Gebiet bringen», warnten die Republikaner und Demokraten in einem Gastbeitrag in der «Washington Post».

Der Brandbrief ist historisch. Zu den Unterzeichnern gehören alle zehn noch lebenden Ex-Pentagon-Chefs – darunter auch Trumps Ex-Verteidigungsminister James Mattis (70) und Mark Esper (56). Kurz vor der Amtsübergabe am 20. Januar befürchten sie offenbar, Donald Trump (74) könnte die Armee aufbieten, um sich an der Macht zu halten. Mehrfach hatte der US-Präsident damit geliebäugelt. Laut «New York Times» hatte Trump die Idee sogar mit seinem ehemaligen nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn (62) besprochen.

In den kommenden Tagen könnte Trump seine Drohung wahr machen. Am Mittwoch zählt der US-Kongress die Stimmen der Wahlleute aus – und es bestehen keine Zweifel daran, dass Joe Biden (78) die Wahl gewonnen hat. Doch ein Dutzend republikanische Senatoren hat bereits bekanntgegeben, das Ergebnis nicht anerkennen zu wollen. Die Sorge vor Unruhen ist gross. Trump ruft seine Unterstützer auf den Plan. «Seid da, es wird wild!», twitterte der Noch-Präsident. Erwartet wird in der Hauptstadt unter anderem die rechtsextreme Schlägertruppe «Proud Boys». Nutzt Trump die Unruhen, um das Militär aufzubieten?

Ex-Verteidigungsminister warnen Miller vor politischer Einmischung

Der mögliche Putsch entsetzt die ehemaligen Pentagon-Chefs. «Jeder von uns schwor einen Eid, die Verfassung zu unterstützen und gegen alle inneren und äusseren Feinde zu verteidigen. Wir haben nicht auf ein Individuum oder eine Partei geschworen», beginnt der Text. Er richtet sich klar gegen Donald Trump – auch wenn der noch amtierende Präsident namentlich nicht genannt wird.

Dafür erinnern die Ex-Verteidigungsminister ihren Nachfolger Christopher Miller (55) an seinen Amtseid und das Gesetz. Er sei dazu verpflichtet, den Amtsantritt der neuen Regierung zu erleichtern und «mit ganzem Herzen» zu unterstützen. Er müsse von jeglichen politischen Handlungen absehen, die das Wahlergebnis oder den Erfolg «des neuen Teams» gefährden könnte.

Der eindrückliche Appell zeigt, wie besorgt die ehemaligen Verteidigungsminister sind. Und wie viel Macht in diesen Tagen in der Hand ihres Nachfolgers liegt. Auch wenn weder Trump noch Miller die Soldaten direkt auf die Strasse schicken können: Die friedliche Machtübergabe ist ein Kernelement der Verfassung, das Trump offen in Frage stellt. Mit der Unterstützung des Militärs steht oder fällt zudem der US-Präsident – hat die Armee Joe Biden erstmal als Präsidenten anerkannt, wird sich Trump nicht weigern können, das Weisse Haus zu verlassen, sagt der US-Verfassungsexperte Lawrence Douglas (61).

Was wird der Pentagon-Chef machen?

Generalstabschef Mark Milley (62) hat bereits betont, dass sich das US-Militär aus der Wahl heraushalten werde. Vor Weihnachten sagte er ähnlich, wie es nun auch im Brandbrief heisst: «Wir legen keinen Eid auf einen König oder eine Königin, einen Tyrannen oder einen Diktator ab. Wir legen keinen Eid auf eine Einzelperson ab. Wir legen einen Eid auf die Verfassung ab.»

Doch ausgerechnet Verteidigungsminister Christopher Miller schweigt. Kein Wunder: Der Pentagon-Chef ist Trump treu ergeben. Erst nach der US-Wahl wurde er zum kommissarischen Verteidigungsminister befördert. Seither hilft er kräftig mit, den künftigen US-Präsidenten Joe Biden auszubremsen. Seit Mitte Dezember schliesst er Bidens Team von den Security-Briefings aus.

Gleichzeitig befeuert Miller den Konflikt mit dem Iran neu. Ein Jahr nach der Tötung von General Qassem Soleimani (†62) ist die Situation angespannt. Irans Aussenminister Mohammad Javad Zarif (60) wirft Israel und den USA eine Verschwörung vor, um den Iran anzugreifen. Verteidigungsminister Miller hat einen Flugzeugträger wegen angeblicher iranischer Drohungen «gegen Präsident Trump und andere US-Regierungsvertreter» zurück in den Nahen Osten beordert.

Was Miller machen wird, wenn in Washington tatsächlich Unruhen ausbrechen und Trump das Militär aufbieten will, ist unklar. Mit dem Einsatz von Soldaten auf amerikanischen Strassen hatte Trump schon rund um die «Black Lives Matter»-Proteste im Juni geliebäugelt. Verteidigungsminister Mark Esper hatte sich geweigert – kurz nach der US-Wahl wurde er gefeuert.

Trumps allerletzte Chance – Krawalle befürchtet
1:59
Brisantes Trump-Telefonat:«Ich will nur 11'780 Stimmen finden»
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?