Wie machen die das nur? Erneut ist Finnland trotz hoher Suizidrate und russischer Bedrohung zum glücklichsten Land der Welt erkoren worden. Zum siebten Mal in Folge. Gleichzeitig ist die Schweiz um einen Platz auf Rang neun abgerutscht.
Valtteri Hirvonen (62), seit zweieinhalb Jahren Botschafter in der Schweiz, erklärt den Dauer-Spitzenplatz der Finnen im Weltglücksbericht, verrät das Geheimnis des Glücklichseins und gibt uns Schweizern Tipps, wie auch wir das Leben mehr geniessen könnten.
Blick: Herr Botschafter, warum sind die Finnen so glücklich?
Valtteri Hirvonen: Vor allem wegen der Natur. Wir sind so gut wie überall von ihr umgeben und sehr naturverbunden. Aber auch wegen des Vertrauens in die Mitbürger und Institutionen, des hohen Bildungsgrads sowie der sehr kleinen Unterschiede unter den verschiedenen Einkommensklassen.
Das tönt ja wie in der Schweiz!
Eigentlich sind wir den Schweizern in vieler Hinsicht sehr ähnlich. Das Geheimnis des Glücks bei uns besteht wohl auch darin, dass ausserhalb der Städte die Nachbarn weit weg sind. So gut wie jeder hat ein Häuschen auf dem Land, wo man allein sein, sich selbst verwirklichen kann und nicht immer diskutieren muss. Das passt einem introvertierten Volk, wie es die Finnen sind, sehr gut…
Wie kann man so ruhig und glücklich sein, wenn man ständig mit einer Bedrohung Russlands leben muss?
Die Bedrohung aus dem Osten ist in der Tat allgegenwärtig, aber wir nehmen das gelassen und mit einem kühlen Kopf. Wir sehen die Lage realistisch: Wir sind sehr gut gerüstet – sowohl materiell als auch mental – und vertrauen auf unsere Verteidigung und unsere Verbündeten. Der Bedrohung begegnen wir mit ruhiger Zuversicht.
Der Weltglücksbericht wird seit 2012 jährlich publiziert. Es handelt sich um eine Partnerschaft des Mark- und Meinungsforschungsinstituts Gallup, dem Oxford Wellbeing Research Centre, dem UN Sustainable Development Solutions Network und der Redaktion des Weltglücksberichts. Im jüngsten Bericht betrachteten die Wissenschaftler den Zeitraum zwischen 2021 und 2023. Bewertet wurden dabei Schlüsselfaktoren wie etwa soziale Unterstützung, Einkommen, Freiheit und die Abwesenheit von Korruption.
Der Weltglücksbericht wird seit 2012 jährlich publiziert. Es handelt sich um eine Partnerschaft des Mark- und Meinungsforschungsinstituts Gallup, dem Oxford Wellbeing Research Centre, dem UN Sustainable Development Solutions Network und der Redaktion des Weltglücksberichts. Im jüngsten Bericht betrachteten die Wissenschaftler den Zeitraum zwischen 2021 und 2023. Bewertet wurden dabei Schlüsselfaktoren wie etwa soziale Unterstützung, Einkommen, Freiheit und die Abwesenheit von Korruption.
Auch bei der Suizidrate liegt Finnland in Westeuropa weit oben, nämlich auf Platz zwei. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch zur Glückstabelle?
Dieser tragische Wert ist wohl auf die sehr langen, dunklen Winter, kombiniert mit hohem Alkoholkonsum, zurückzuführen. Dass wir in beiden Ranglisten Spitzenwerte verzeichnen, ist in der Tat paradox. Als absoluter Laie in psychologischen Fragen habe ich dazu keine Erklärung.
Wo sind Sie selber glücklicher: in der Schweiz oder in Finnland?
Sowohl als auch. Fast jeden Tag geniesse ich mit meiner Frau den Blick auf die Alpen – Eiger, Mönch und Jungfrau sind von unserem Balkon aus zum Greifen nahe. Ein Frühstück draussen – Colazione al Fresco – mit diesem Panorama macht mich immer glücklich in der Schweiz, wie auch eine Töfftour auf den Passstrassen. In Finnland bin ich am glücklichsten, wenn ich auf unserem See rudere oder die Netze beim Fischen einhole, und zwar in absoluter Stille.
Bitte geben Sie uns einen Ratschlag: Wie könnten auch die Schweizer glücklicher werden?
Indem sie dem Leben mit einem lockereren Ansatz begegnen. Die Karriere und das Einkommen sind nicht allein für das Wohlbefinden wichtig. Man muss das Leben mit Humor nehmen und auch über sich selber lachen können.
Wie finde ich als Schweizer in Finnland am schnellsten zum Glück?
Indem Sie auf einer Insel eine Hütte mieten. Ohne Nachbarn.
Wer ist in Ihren Augen der glücklichste Finne?
Ich selber! Ich bin glücklich verheiratet, habe eine grosse Familie und bin ein Finne, der in der Schweiz leben darf – wenn auch nur für vier Jahre.