Blick trifft bei den Bauernprotesten in Berlin Jung-Landwirtin Lea Miesl
«Ich habe Angst um meine Zukunft und Arbeit»

In Berlin fahren Traktore in Richtung Brandenburger Tor – Bauernaufstand! Blick ist vor Ort und spricht mit den besorgten und wütenden Menschen. Und Finanzminister Lindner hält unter Buhrufen und Pfiffen eine Rede.
Publiziert: 15.01.2024 um 21:18 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2024 um 21:19 Uhr
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In Berlin proben Bauern am Montag den Aufstand.
Foto: imago/photothek

Sie hupen in den frühen Morgenstunden und reissen die beiden Blick-Reporter aus dem Schlaf. Wütende Bauern und deren Sympathisanten fahren am Montag mit Traktoren und Lastwagen ins Berliner Stadtzentrum.

Sie wehren sich, weil die deutsche Regierung plant, die Agrardiesel-Subventionen zu streichen. Heisst: Die Kosten für die Bauern würden steigen. Sie müssten für den Sprit mehr zahlen. 

Schon beim Zmorge im Hotel trifft der Blick-Reporter einige Bauern. Einer von ihnen ist Elard von Gottberg (50). Er sitzt im Vorstand des Kreisbauernverbands Potsdam-Mittelmark. Trotzig sagt er: «Wir sind gekommen, um zu bleiben. Bis die geplanten Kürzungen der Bundesregierung zurückgenommen worden sind.»

Sein Fazit: «Wir sind tief erschüttert von der Misswirtschaft der Regierung.» Er fordert daher: «Die Ampel muss sofort abgesetzt werden.» Heisst: Die Koalition aus SPD, FDP und den Grünen soll verschwinden, geht es nach Bauer von Gottberg. Er betont: «Es geht hier um weit mehr als die Anliegen der Landwirte. Die deutsche Wirtschaft gerät aufgrund hoher Energiepreise und der dadurch nicht mehr gegebenen Wettbewerbsfähigkeit in Schieflage.» 

Um 3.30 Uhr losgefahren

Auch draussen auf der Strasse wird klar, dass die Leute nicht nur wegen der Agrardiesel-Frage nach Berlin gekommen sind. Wie Bauer von Gottberg hat auch Norbert Thürk (62) genug von der Regierungs-Koalition. «Wir bemühen uns, dass die Ampel kippt», sagt er. Thürk ist mit einer Gruppe von der Ostseeinsel Rügen nach Berlin angereist. «Wir sind Handwerker, Unternehmer, Privatleute, Fischer, Bauern, Gastronomen.» 

Um 3.30 Uhr sei der Trupp von Rügen losgefahren. Thürk sagt: «Wir sind heute hier, um gegen die Missstände in Deutschland zu protestieren.» Heisst: «Wir sehen keine Zukunft für unsere Kinder und Enkel. Denn die Ampel betreibt eine Politik, die die Wirtschaft zerstört.» 

Eine dieser jungen Generation, für die Thürk schwarz sieht, ist Lea Miesl (21) aus Dachau. Die Oberbayerin ist lernende Landwirtin und arbeitet auf einem Betrieb in der Dachauer Gegend. Das Wichtigste für sie bei den Bauernprotesten: «Der Politik aufzeigen, dass es so nicht weitergehen kann.» Sie stellt klar: «Ich habe Angst um meine Zukunft und meine Arbeit. Denn die Politik arbeitet gegen die Bauern.» Ihre Lösung: «Ampel weg, Politik wechseln.» 

Nil Lange ist gleich alt wie Lea Miesl. Auch er geht an diesem Montag auf die Strasse. «Es sind keine Bauernproteste mehr», sagt der Student – sondern mehr als das. «Wenn man sich hier umschaut, sind viele Spediteure hier, Mittelständler, Kleinunternehmer.» Ihr Ziel würde sie einen: «weniger Bürokratie, eine vernünftige, sachbezogene Politik, die frei von Ideologie ist.»

Lindner ausgebuht

Tatsächlich: Beim Brandenburger Tor sorgen nicht nur Bauern für Stimmung. Auch blasen etwa unzufriedene Jäger in ihr Horn. 

Tausende Menschen versammeln sich vor dem Tor. Sie schwingen Deutschland-Fahnen. Und auf der Bühne schwingen Verbands-Funktionäre Reden. Die Demonstranten grölen, die Redner erhalten Zuspruch. «Wir sind das Volk!» und «Ampel weg!» skandiert die Menge. Als der deutsche Finanzminister Christian Lindner (45) die Bühne betritt, ist die Protest-Masse weniger belustigt. Sie buht und pfeift den FDP-Mann aus. 

Später eilt Lindner von Bodyguards umringt in seine Limousine. Den Journalisten will er kein Interview geben. 


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