Nach dem angekündigten Rücktritt von Supreme-Court-Richter Stephen Breyer (83) will US-Präsident Joe Biden (79) erstmals eine schwarze Frau für den Posten am Obersten US-Gericht nominieren. «Das ist meiner Ansicht nach längst überfällig», sagte Biden am Donnerstag im Weissen Haus. Er habe noch keine Entscheidung getroffen, wolle die Nominierung aber vor Ende Februar bekannt geben.
Seine Kandidatin werde eine Person mit «herausragender Qualifikation» sein. Als Favoritin gilt unter anderem Ketanji Brown Jackson (51). Sie wurde bereits letztes Jahr für das Bundesberufungsgericht nominiert, das als Sprungbrett für den Supreme Court gilt. Ausserdem arbeitete die Harvard-Absolventin als Referentin für Stephen Breyer. Und bereits Ex-Präsident Barack Obama (60) hatte sie im Visier. Zudem hat sie auch die Republikaner auf ihrer Seite. Sie wurde im Juni 2021 mit 53 zu 44 Stimmen für ihren derzeitigen Sitz bestätigt, wobei drei Republikaner für sie stimmten.
Die Mutter von zwei Töchtern wuchs in Miami auf, machte ihren Abschluss an einer öffentlichen Schule und schaffte es schliesslich nach Havard. «Es ist die Schönheit und Erhabenheit dieses Landes, dass jemand, der aus einem Umfeld wie dem meinen kommt, in diese Position kommen kann», sagte Jackson 2012, als sie an Bezirksgericht berufen wurde.
Wichtige Weichen für die Gesellschaft
Derzeit gehören mit Clarence Thomas ein Afroamerikaner und mit Sonia Sotomayor eine Latina dem Obersten Gericht an. Biden hatte bereits im Wahlkampf versprochen, im Fall einer Vakanz erstmals in der Geschichte eine schwarze Frau als Richterin am Supreme Court zu nominieren. Biden will mit seiner Personalpolitik erreichen, dass auch die Spitzen der Institutionen die ethnische Vielfalt und die Diversität der Vereinigten Staaten widerspiegeln. Schwarze machen dort nach offiziellen Statistiken gut 13 Prozent der Bevölkerung aus.
Das Oberste US-Gericht stellt mit seinen Entscheidungen zu besonders strittigen Themen wie Abtreibung, Einwanderung oder gleichgeschlechtlichen Ehen immer wieder wichtige Weichen für die Gesellschaft. Die neun Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Ihre Auswahl ist daher ein hart umkämpfter politischer Prozess.
Breyer einst von Bill Clinton nominiert
Breyers Ausscheiden ermöglicht Biden erstmals seit seinem Amtsantritt die Neubesetzung eines Sitzes am politisch umkämpften Supreme Court. Der Senat muss Bidens Nominierung zustimmen. In der Parlamentskammer haben Bidens Demokraten eine knappe Mehrheit, die sie aber bei den Kongresswahlen im November an die Republikaner verlieren könnten.
Die Personalie ändert nichts an der konservativen Mehrheit an dem Gericht, ist politisch aber dennoch von grosser Bedeutung. Ex-Präsident Donald Trump (75) und seine Republikaner im Senat konnten während Trumps Amtszeit drei Richter am Supreme Court platzieren, weswegen momentan sechs der neun Richter als konservativ gelten.
Breyer – der aktuell älteste der neun Richter – wird dem liberalen Lager zugerechnet. Er schätzt den Kompromiss, gilt als moderater Vermittler, tendiert aber eher nach links. Er war einst vom demokratischen Präsidenten Bill Clinton nominiert worden.
Konservative haben Mehrheit am Gericht
Im September 2020 war die Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Der Tod der liberalen Justiz-Ikone wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl in jenem Jahr hatte heftige politische Kämpfe ausgelöst.
Trump und die Republikaner wollten den dadurch frei gewordenen Sitz unbedingt noch vor der Wahl besetzen und zogen den Bestätigungsprozess ihrer Nachfolgerin, der konservativen Juristin Amy Coney Barrett, im Eiltempo durch – gegen grosse Widerstände der Demokraten. (SDA/jmh)