Mitte Dezember griff die niederländische Regierung durch. Angesichts hoher Fallzahlen wurde das Land wieder in einen Lockdown versetzt. Angesichts der Omikron-Variante sei dieser Schritt unumgänglich, hiess es.
Seither sind nur noch Läden geöffnet, die es für die Versorgung zwingend braucht. Auch die Schulen im Land wurden geschlossen, erst seit Montag dürfen Schüler wieder zum Präsenzunterricht.
Statt die Zahlen dadurch zum Sinken zu bringen, trat das Gegenteil ein. Trotz Kontaktbeschränkungen und Ladenschliessungen steigen die Zahlen seit Ende Dezember dramatisch an. Derzeit liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 1178. Das ist mehr als doppelt so viel wie in Deutschland, wo deutlich weniger strenge Massnahmen gelten, wie die «Welt» berichtet. Zum Vergleich: In der Schweiz liegt die Inzidenz derzeit bei 2054.
Wie kommt es, dass die Zahlen trotz Lockdown so stark ansteigen? Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Wissenschaftler vermuten eine Mischung aus der hohen Infektiosität von Omikron sowie der zunehmenden Unzufriedenheit der Bevölkerung. In den vergangenen Wochen gingen Tausende auf die Strasse, um gegen die Schliessungen zu protestieren.
Für Virologen ist Lockdown «richtige Entscheidung»
Weil die Omikron-Variante zudem weitaus infektiöser sei als seine Vorgänger, seien selbst strenge Massnahmen weniger effektiv, vermutet Xander de Haan, Virologe von der Universität Utrecht, in der «Welt». Zudem seien nur wenige Menschen zum Zeitpunkt des Lockdowns geboostert gewesen.
Deshalb sei es richtig gewesen, das öffentliche Leben herunterzufahren. So habe die Regierung Zeit gewinnen können, um die Booster-Kampagne hochzufahren. Mittlerweile haben 45 Prozent aller Erwachsenen eine dritte Impfung erhalten.
Entscheidung am Freitag
Die Bevölkerung ist dennoch zunehmend frustriert. Das Land ist bereits zum vierten Mal im Lockdown, immer wieder kam es in den vergangenen Wochen zu gewaltsamen Protesten. Das habe zu einem «immensen Vertrauensverlust in die Regierung» geführt, sagt Frenk van Harreveld, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Amsterdam.
Die Bereitschaft der Bevölkerung, sich an die Massnahmen zu halten, sinke immer weiter. Deshalb beenden die Niederlanden nach fast vier Wochen den Lockdown – auch unter starkem Druck von Unternehmern. Aber strenge Massnahmen bleiben. Geschäfte, Friseure und Sportclubs sowie Hochschulen dürfen ab Samstag wieder öffnen. Das kündigte Premier Mark Rutte (54) am Freitagabend in Den Haag an. Geschlossen aber bleiben weiter Gaststätten, Museen, Theater und Kinos. Gastwirte und der Kultursektor sind empört. (zis)