Hier spricht der verunglückte Schweizer über seine Mission
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Abdul Waraich (†41):Hier spricht der verunglückte Schweizer über seine Mission

Bergsteigerin Evelyne Binsack (53) kennt die Gefahren beim Abstieg des Mount Everest
«Darum nennt man es die Todeszone»

Der Tod eines Schweizer Alpinisten am Mount Everest macht betroffen. Dass es ausgerechnet beim Abstieg zum Unglück gekommen ist, sei leider keine Seltenheit, erklärt Expertin Evelyne Binsack (53).
Publiziert: 13.05.2021 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 13.05.2021 um 19:14 Uhr
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Im Jahr 2001 schaffte Evelyne Binsack als erste Schweizerin den Aufsteig auf den Gipfel des Mount Everest.
Foto: zVg
Andrea Cattani

Der Mount Everest raubte am Mittwoch dem Schweizer Abdul Waheed Waraich (†41) das Leben. Die Spitze auf 8849 Metern über Meer hatte der Alpinist bereits erklommen, doch beim Abstieg vom «Dach der Welt» brach der Mann vor Erschöpfung zusammen. Die übrigen Mitglieder der Gipfel-Expedition konnten nichts mehr für ihn tun.

Evelyne Binsack (53) ist selber Extrem-Bergsteigern, bietet regelmässig Tourenführungen an und hat 2001 als erste Schweizerin überhaupt den Mount Everest bezwungen. Dass der Schweizer Alpinist nun ausgerechnet beim Abstieg so tragisch verunglückt ist, erstaunt die Berner Oberländerin nicht. «Das passiert leider immer wieder und ist eine der grossen Tücken, wenn man in dieser Höhe unterwegs ist.»

«Den Fokus nicht verlieren, bis man wieder unten ist»

Ab 7500 m.ü.M. beginne beim Bergsteigen die sogenannte Todeszone. «Es hat einen Grund, warum dieser Bereich so genannt wird», erklärt Binsack gegenüber Blick. Diese Höhe sei lebensfeindlich für den menschlichen Körper. «Es geht darum, so rasch wie möglich wieder aus dieser Zone herauszukommen.» Also hoch auf den Gipfel und dann gleich wieder runter.

Doch dieser Zeitdruck birgt grosse Risiken. Binsack: «Viele verausgaben sich beim Aufstieg völlig, dabei braucht es noch genügend Energiereserven für den Abstieg.» Hinzu komme auch, dass die fehlende Anspannung beim Abstieg manchen Alpinisten zum Verhängnis werden könne. «Wenn der Gipfel des Mount Everest erklommen ist, fällt natürlich auch unglaublicher Druck von den Schultern der Bergsteiger. Das ist so ein grosses Ziel, auf das hingearbeitet wurde. Doch bis man wieder unten ist, darf man den Fokus nicht verlieren.»

Kurze Akklimatisierung ist ein Risiko

Der Schlüssel, um eine derartige Extrem-Tour am Everest zu überstehen, ist für Evelyne Binsack die Akklimatisierung. Über Wochen tasten sich Bergsteiger im Himalaya-Gebiet an die aussergewöhnlichen Bedingungen in der Höhe heran. «Wer schon Anfang Mai auf dem Mount Everest ist, kann nur eine ziemlich kurze Akklimatisierungsphase gehabt haben. Das ist ein Risiko», sagt die erfahrene Berggängerin.

Bis es aber zum Zusammenbruch eines Alpinisten am Berg kommt, müsse es vorher schon Anzeichen gegeben haben, die aber möglicherweise falsch gedeutet worden sind. «Einsetzende Höhenkrankheit, Dehydrierung – all das sind Signale, die einen sofort zur Umkehr bewegen sollten», sagt Binsack.

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