Das Glück steht im Königreich Bhutan an erster Stelle. Deshalb wird es gemessen wie das Wirtschaftswachstum. Der in der Verfassung der konstitutionellen Monarchie festgeschriebene Wert nennt sich Bruttosozialglück. Auch bei der Corona-Impfkampagne richtet sich die Regierung danach.
Zwar hat das Land am Himalaja bereits am 20. Januar 150'000 Dosen der Astrazeneca-Impfung von Indien geschenkt bekommen, doch in Absprache mit den religiösen Führern hat die Regierung eine für den Start glückbringende Zeit im buddhistischen Kalender abgewartet. Nach einer dreitägigen Zeremonie am Paro-International-Flughafen der Hauptstadt Thimphu traf am 22. März schliesslich die zweite Ladung von 400'000 Impfdosen aus Indien ein.
Vor dem Start ein letztes Reinigungsritual
Die vorhandenen Reserven ermöglichen es nun, die gesamte Bevölkerung des Landes in einem Wisch zu impfen. In Bhutan leben knapp 750'000 Menschen. Für eine Impfung infrage kommen rund 530'000 Einwohner. Kinder und Jugendliche unter 18, schwangere Frauen und stillende Mütter sind ausgenommen.
Ende Woche könnte Bhutan das erste Land der Welt sein, das die erste Dosis des Corona-Impfstoffs an die gesamte infrage kommende Bevölkerung verabreicht hat. Dies ist jedenfalls der Plan des Gesundheitsministeriums. Bisher verläuft alles wie vorgesehen: Der Impfstoff wurde innerhalb von zwei Tagen per Flugzeug und Helikopter in alle Verwaltungsbezirke des Landes verteilt. Am 25. März vollzog der religiöse Führer Je Khenpo Trulku Jigme Choeda (55) ein letztes Reinigungsritual. Dann begann am vergangenen Samstag der Impfprozess.
«So vertieft in Gebet, dass ich Nadel nicht verspürte»
Die erste Impfung bekam die Verwaltungsangestellte Ninda Dema (30). Die Frau leidet an einer Spritzenphobie und wurde wie auch die verabreichende Krankenschwester im Jahr des Affen geboren. Die Protagonisten für den ersten Piks wurden sorgfältig ausgewählt – religiöse Buddhisten glauben, dass Menschen mit Geburtsdatum im Jahr des Affen erfinderisch sind und schwierige Probleme mit Leichtigkeit lösen können. Das Impfprozedere wurde live am TV ausgestrahlt.
Sämtliche Geimpfte werden für 30 Minuten beobachtet. Ninda Dema sagte danach, sie fühle sich «komplett in Ordnung». Den Piks habe sie gar nicht gemerkt. «Ich war so vertieft in mein Gebet, dass ich nicht einmal die Nadel spürte. Die Kameras überall waren furchterregender als die Injektion selber», sagt die 30-Jährige laut der nationalen Zeitung «Kuensel».
Nach zwei Tagen fast 40 Prozent erreicht
Kurz nach Ninda Dema war die ganze politische Elite des Landes an der Reihe. Den Auftakt machte Premierminister Lotay Tshering (51). Auch etwa 57 Verwandte des Premierministers bekamen ihre erste Dosis, darunter seine Eltern, seine Frau und seine Schwiegereltern.
Am Sonntagabend haben schon fast 40 Prozent der infrage kommenden Bevölkerung die erste Dosis bekommen. Laut dem Gesundheitsministerium wurden bis dann 183'271 Impfungen verabreicht. Total haben sich bisher rund 513'000 Bewohner für eine Impfung registriert. Das Gesundheitsministerium ist optimistisch, dass die von Experten angestrebte Rate von 75 Prozent zur Erreichung der Herdenimmunität erreicht wird.
Bhutan wird erst seit rund zwölf Jahren demokratisch regiert. Der König, Jigme Khesar Namgyel Wangchuck (41), ist Staatsoberhaupt. Bisher hat das buddhistische Land die Corona-Pandemie gut überstanden: Laut Regierungsangaben verzeichnet es erst 872 Corona-Fälle und ein Todesopfer im Zusammenhang mit Covid-19. Die erste Infektion wurde im März vergangenen Jahres gemeldet. Trotz den wenigen Fällen verhängte die Regierung im Dezember einen totalen Lockdown über das Land.