Bahnnetz lahmgelegt – 800'000 gestrandete Reisende
Darum schiessen Linksextreme gegen Olympia

Bahnchaos in Frankreich – und das ausgerechnet an Olympia. Wegen Brandanschlägen auf Stromkästen und Signalanlagen fielen Hunderte Verbindungen aus. Mutmasslich stecken linksextreme Olympia-Gegner dahinter. Doch was haben Linksextreme gegen den Sportevent?
Publiziert: 30.07.2024 um 09:59 Uhr
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Aktualisiert: 31.07.2024 um 09:56 Uhr
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Nichts ging mehr: 800'000 Reisende waren in Frankreich gestrandet.
Foto: keystone-sda.ch
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Janine EnderliRedaktorin News

Unzählige Annullationen, ein lahmgelegtes Zugnetz und 800'000 gestrandete Reisende: Frankreich erlebte am Freitag ein Chaos im Bahnverkehr, als mehrere Brandanschläge auf Stromkästen und Signalanlagen des französischen Netzes unternommen wurden. Viele Passagiere verpassten dadurch die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris. Mutmasslich steckt eine ultralinke Gruppierung hinter den Brandanschlägen. Am Montag folgte eine weitere Attacke auf Glasfaserkabel.

Was haben linke Gruppierungen gegen die Olympischen Spiele? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen. 

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Wer steckt hinter den Brandanschlägen?

Laut der Zeitung «Le Parisien» nehmen die Ermittler ein Bekennerschreiben ernst, das auf eine gewalttätige, ultralinke Protestbewegung hindeutet. Die E-Mail stammt von «sabotagetgvjo@riseup.net» und wurde von einer unbekannten «Delegation» unterzeichnet. Der Domainname «riseup» steht in Verbindung mit Linksextremisten und Anarchisten.

Im Schreiben heisst es: «Sie nennen es ein Fest? Wir sehen darin die Feier des Nationalismus, eine gigantische Inszenierung der Unterjochung der Bevölkerung durch Staaten.» Weiter: «Hinter dem spielerischen und geselligen Schein bieten die Olympischen Spiele ein Experimentierfeld für die Kontrolle der Massen und unserer Bewegungen durch die Polizei.»

Der französische Innenminister Gérald Darmanin (41) warnte aber vor voreiligen Schlüssen: Es sei nicht auszuschliessen, dass die Autoren dieser Schreiben die Taten fälschlicherweise für sich reklamierten.

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Wurde schon jemand verhaftet?

Ja. Am Montag wurde ein Linksextremer auf einem Bahngelände in der Nähe von Rouen festgenommen, der am Sonntag mit einem Schlüssel für eine technische Anlage und einer Schneidzange auf einem SNCF-Gelände in Oissel in der Nähe von Rouen aufgegriffen wurde. In seinem Auto sei zudem ein Buch über Protestbewegungen in Frankreich gefunden worden.

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Welche Gruppierungen haben Störaktionen geplant?

Neben der Protestbewegung mit dem Domainnamen «riseup» hat die Polizei am Samstag zudem 14 Aktivisten der radikalen Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion verhaftet. Sie machten es sich ebenfalls zum Ziel, Anlässe im Rahmen der Olympischen Spiele zu stören. 

Eine Gruppe namens «Olympische Revolte» beklagte in sozialen Medien, ihr Widerstand gegen «soziale und Umweltzerstörung» sei durch «Repression» verhindert worden.

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Was haben die Linksextremen gegen Olympia?

Seit Beginn der Paris-Kandidatur im Jahr 2015 haben die Gegner der Olympischen Spiele gemäss eigenen Angaben kaum Gehör gefunden. Während in früheren Ausgaben zwar Minderheiten, aber sichtbare Protestbewegungen in London oder Tokio entstanden, blieben die Aktionen von Kollektiven, die sich gegen die Durchführung der Pariser Spiele aussprachen, sehr klein.

«Mit den Olympischen Spielen werden Milliarden auf den Tisch gelegt, während es keine Investitionen für die Ärmsten gibt. Wir organisieren eine Feier für die Reichen des Planeten und schliessen gleichzeitig die Arbeiterklasse aus», argumentierte Ritchy Thibault, Sprecher des PEPS Formum (For a Popular and Social Ecology) gegenüber «Le Parisien». «Solche Anlässe sind für die Kapitalistenklasse gemacht», pflichtet ihm ein weiterer Aktivist bei. 

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Wie gross ist der Schaden?

Die wirtschaftlichen Verluste und Reparaturkosten würden wahrscheinlich mehrere Millionen Euro kosten, sagte Verkehrsminister Patrice Vergriete (56). Dies habe aber keine Auswirkung auf die Fahrkartenpreise.

Nach den Sabotageakten wurde die Überwachung des 28'000 Kilometer langen Schienennetzes in Frankreich deutlich verstärkt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Schädigung von Staatsinteressen.

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Wer ist für die neuste Sabotage verantwortlich?

Wer genau hinter der neusten Sabotage an zahlreichen Glasfaserkabeln steckt, ist noch nicht klar. «Es handelt sich um Vandalismus. Die Kabel wurden mit einer Axt oder einer Kreissäge durchtrennt», hiess es beim Anbieter SFR. Davon könnten auch internationale Kunden betroffen sein. Auch der Internet-Anbieter Free meldete Beschädigungen.

Insgesamt gab es Fälle in sechs Départements im Südwesten, Osten und Norden des Landes, nicht aber in Paris, dem Zentrum der Olympischen Spiele. Zunächst bekannte sich niemand zu den Aktionen. Ob es einen Zusammenhang mit den Sabotageakten gegen die Bahn gibt, war zunächst offen.

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Wie geht es jetzt weiter?

Die Staatsanwaltschaft hat Einheiten der «Bekämpfung der organisierten Kriminalität» sowie der «antiterroristischen Vizedirektion» mit den Ermittlungen betraut. Innenminister Gérald Darmanin zeigte sich zuversichtlich, dass die Ermittler rasch Ergebnisse liefern werden. «Es ist das typische Vorgehen von Linksextremen», sagte Darmanin am Montag dem Sender France 2. Dies könnte auch nötig werden. Denn: Neben der Bahn könnten in den kommenden Tagen auch französische Flughäfen ins Visier genommen werden.

Wie «Le Figaro» zur Kenntnis genommen hat, befürchten die Geheimdienste der Lufttransport-Gendarmerie «eine bevorstehende Aktion», die von «radikalen Umweltgruppen» durchgeführt werden könnte. 


 

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