Bachmut-Kämpfer greift die Schweiz an
«Jetzt neutral zu sein, ist kriminelle Untätigkeit»

Die Schlacht um Bachmut dauert bereits länger als jene um Stalingrad im Zweiten Weltkrieg. Zehntausende wurden getötet. Jetzt ist den Russen offenbar der Durchbruch gelungen. Blick erhält einen Brief aus einem Kriegslazarett in der Donbass-Stadt – mit deutlichen Worten.
Publiziert: 04.03.2023 um 00:37 Uhr
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Aktualisiert: 04.03.2023 um 11:15 Uhr
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Ein verwundeter Soldat wird in einem Feld-Lazarett bei Bachmut behandelt.
Foto: keystone-sda.ch
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Im vergangenen August noch sprach Blick in der Donbass-Stadt Bachmut mit einem Mann, der die rostige Dachrinne an seinem Haus flickte. «Wart besser zu, der Krieg hier ist noch nicht vorbei», riet ihm unser mitgereister Übersetzer damals.

Ein halbes Jahr später zeigt sich: Der Dachrinnen-Reparateur war definitiv zu optimistisch. Von seiner Heimatstadt ist nach der monatelangen Schlacht zwischen russischen Angreifern und ukrainischen Verteidigern nicht viel übrig geblieben. Von den einst 70'000 Bewohnern sind nur noch ein paar Hundert da. Ein Grossteil der Häuser ist zerstört oder schwer beschädigt. Nach militärischen Schätzungen kommen auf beiden Seiten jeden Tag bis zu 1000 Soldaten ums Leben. Ein ukrainischer Zivilist, der erst gerade in Bachmut war, erzählt gegenüber Blick: «Die Situation in der Stadt ist die Hölle, die reine Hölle.»

Drohnenaufnahmen zeigen zerstörten Vorort von Bachmut
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Seit Monaten umkämpft:Drohnenaufnahmen zeigen zerstörten Vorort von Bachmut

Ukrainer sprengen erste Brücken

Am Freitagmorgen sprengten ukrainische Truppen eine Brücke über den Bachmutowka-Fluss, der die Stadt ziemlich genau in der Mitte durchfliesst. Ein deutliches Zeichen, dass man einen russischen Durchbruch befürchtet. Kurz davor tauchten Videos auf, die Kämpfer der russischen Söldnertruppe Wagner im Zentrum von Bachmut zeigten.

Bereits am Donnerstagabend bestätigte der Kommandant einer ukrainischen Drohnen-Kampfeinheit, der unter dem Namen «Magyar» seit knapp vier Monaten immer wieder direkt aus Bachmut berichtete, dass er von der militärischen Führung einen Rückzugsbefehl erhalten habe.

Auch wenn die ukrainische Führung noch Mitte Woche angekündigt hatte, dass man die Truppenpräsenz in Bachmut verstärken wolle: Die Zeichen stehen auf Rückzug. Laut den Experten der amerikanischen Denkfabrik Institute for the Study of War dürften die Russen davon absehen, Bachmut komplett zu umzingeln. Sie rücken auf drei Seiten vor. Mindestens eine der Strassen, die westlich aus Bachmut führen, ist weiter offen.

Eine ähnliche Situation erlebte die Ukraine bereits im Juni 2022, als die Russen die Donbass-Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk in die Zange nahmen, aber Fluchtwege offen liessen in der Annahme, die ukrainischen Truppen würden sich dadurch rascher zurückziehen.

Fällt Bachmut, rücken die Russen einen grossen Schritt näher an Kramatorsk und Slowjansk, die beiden grössten noch unter ukrainischer Kontrolle stehenden Städte im Donbass. Die grauenhafte Schlacht im Osten des Kriegslandes würde weiter eskalieren.

«Neutralität ist angesichts der Verbrechen in Bachmut kriminell»

Mitten im tödlichen Chaos von Bachmut steckt Andrej Luilko (42), bis im Februar 2022 Schreiner in der Donbass-Stadt Slowjansk, seither Kämpfer an der Front. Luilko liegt momentan mit einer schweren Lungenentzündung in einem Kriegslazarett westlich der Stadt. Er meldet sich mit einem Brief bei Blick.

«Jetzt neutral zu sein, das ist kriminelle Untätigkeit», warnt Soldat Luilko mit Blick auf die Schweiz. «Wenn ein Nachbar ausrastet, ihn umbringt und dann dessen Frau und Kinder vergewaltigt, ist es dann nicht irgendwie komisch, einfach nebenan zu stehen und zu sagen, ich bin neutral?», fragt der Ukrainer.

Die Welt müsse aufwachen und klar Stellung beziehen, sagt er – gerade jetzt angesichts der schweren Verbrechen in Bachmut. «Putin wird nicht einfach so aufhören.» Jedes Land könne zur neuen Zielscheibe seines «Terrorstaates» werden. «Ihr könntet die Nächsten sein! Bachmut ist nur der Anfang!»

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