Ausgetauschter russischer Soldat spricht über Zeit in Gefangenschaft
«Sie drohten damit, uns verhungern zu lassen»

Ein russischer Soldat, der in der Ukraine gefangen genommen wurde, berichtet über die Zeit in Kriegsgefangenschaft. Er wurde im Austausch gegen ukrainische Soldaten freigelassen. Er bereut, jemals dem russischem Militär beigetreten zu sein.
Publiziert: 27.05.2022 um 10:00 Uhr
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Ein russischer Kriegsgefangener äussert sich über die Gefangenschaft in der Ukraine. (Archivbild)
Foto: keystone-sda.ch

Im Dezember unterschrieb Anton* (21) seinen Vertrag beim russischen Militär. Im März wurde er im Ukraine-Krieg gefangen genommen. Jetzt spricht er über die Zeit in Gefangenschaft.

Anton wurde vom «Guardian» interviewt. Er stamme aus einer Stadt in Sibirien. Er sagt, er habe im vergangenen Dezember, kurz nach seinem Berufsschulabschluss, einen Vertrag für den Eintritt ins russische Militär unterzeichnet.

«Völlig unvorbereitet in die Ukraine geschickt»

Jetzt, nach seiner Gefangenschaft und seinem Kriegseinsatz, sagt er: «Ich hätte alles tun sollen, um der Armee zu entgehen.» So habe er nur einen einwöchigen Ausbildungskurs auf der Krim erhalten, bevor er in den Krieg ziehen musste. «Ich wurde völlig unvorbereitet in die Ukraine geschickt.»

Gefangen genommen wurde er, bevor «wir einen einzigen Schuss abgegeben haben.» Anton ergab sich am 2. März zusammen mit fünf anderen Soldaten seiner Einheit in der Nähe von Mykolaiv.

45 Tage verbrachte er in Kriegsgefangenschaft. Mitte April kam er im Zuge eines Gefangenenaustauschs frei. Über die Zeit als Gefangener sagt er: «Sie drohten damit, uns verhungern zu lassen.»

Tägliche Angst, getötet zu werden

Und weiter: «Man zittert beim kleinsten Geräusch. Jeden Tag hoffst du, dass dies nicht dein letzter Tag ist und du nicht getötet wirst.» Ihm sei jedoch keine körperliche Gewalt angetan worden. Er gibt jedoch an, dass ukrainische Streitkräfte ihm psychisch Gewalt antaten.

Er berichtet: «Wenn wir Glück hatten, bekamen wir zufällig etwas zu lesen. Manchmal liessen sie uns ukrainische Propaganda im Fernsehen sehen.» Doch: «An den meisten Tagen starrten wir nur auf die Wände vor uns.»

Als er zurück nach Russland kehrte, sei er verhört worden. Man habe wissen wollen, ob man ihm «noch vertrauen» könnte.

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Anton will nie wieder in den Krieg

Mittlerweile ist der 21-Jährige wieder in Russland. Er sagt: «Während meiner Gefangenschaft habe ich die meisten meiner Gefühle verdrängt. Ich habe einfach versucht, nicht über mein Leben nachzudenken.»

Der Schaden werde erst nun deutlich. Da er an der Hand verletzt wurde, habe er rund 2500 Franken Entschädigung erhalten. Er wolle nie wieder zum Militär zurückkehren und sucht nun nach Auswegen aus seinem Vertrag.

Grundsätzlich würde erwartet, dass er zurückkehre und weiterkämpfe. Er sagt: «Ich will einfach nur nach Hause, Mann, das ist es. Alles, was ich will, ist nach Hause zu gehen.» (euc)

*Name geändert

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