Aus dem Schlaf gerissen
Um 3 Uhr nachts werden die G20-Politiker nervös

Für einen Moment steht alles still: Hat Russland das Nato-Mitglied Polen angegriffen? Ein Bild zeigt die Spitzenpolitiker der Welt im Moment der Krise.
Publiziert: 16.11.2022 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2022 um 18:53 Uhr
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Es ist früh morgens in Bali, als sich Staatsoberhäupter aus der ganzen Welt in Bali zur Sitzung treffen.
Foto: Bundesregierung via Getty Images

Es ist 15.40 Uhr, als im polnischen Örtchen Przewodów – acht Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt – eine Rakete aus russischer Produktion niedergeht und zwei Menschen sterben – und die Welt den Atem anhält.

In Bali ist es 3 Uhr nachts, als die Staatsoberhäupter der G20-Nationen über den Vorfall informiert werden. Jens Plötner, der aussenpolitische Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz, weckt seinen Chef im Hotel Melia Bali. Hektik bricht aus, Informationen werden gesammelt. Vier Stunden später ruft Scholz den polnischen Präsidenten Andrzej Duda an.

Um 5.20 Uhr gibt die US-Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Adrienne Watson, bekannt, dass die US-Regierung die Explosionen untersucht. Auch Joe Biden dürfte eine kurze Nacht gehabt haben: Kurz nach 6 Uhr telefoniert er mit Nato-Sekretär Stoltenberg, danach geht der G20-Gipfel in den Krisen-Modus.

Es ist 8.40 Uhr auf Bali, als die Krisensitzung stattfindet: US-Präsident Joe Biden (79) trifft sich mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und den Präsidenten Kanadas, Frankreichs, Italiens, Japans, Grossbritanniens, Spaniens, der Niederlande sowie den EU-Spitzen an einem grossen Konferenztisch.

Entwarnung lässt lange auf sich warten

Im Konferenzraum in einem Hotel im indonesischen Nusa Dua herrscht eine angespannte Atmosphäre. Emmanuel Macron (44) redet auf Scholz ein, Biden gibt sich nachdenklich und Justin Trudeau (50) blickt besorgt auf seine Amtskollegen – der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit (50) hat den kritischen Moment hinter verschlossenen Türen eingefangen.

Es ist kurz nach 3 Uhr in Europa, als Biden während des Meetings die Ergebnisse seiner Regierung präsentiert: Es waren höchstwahrscheinlich S-300-Luftabwehrraketen der Ukrainer, die in Polen eingeschlagen sind – und nicht, wie zuerst befürchtet, Raketen Russlands, die das Territorium eines Nato-Mitgliedstaates angreifen. Doch die Gewissheit lässt auf sich warten.

Erst am Mittwochmittag folgt die vollständige Entwarnung des polnischen Präsidenten Andrzej Duda: Der Raketeneinschlag war kein gezielter Angriff auf ein Nato-Land. Beweise, dass Russland die Rakete abgefeuert hat, bleiben aus. Auch er vermutet hinter dem Einschlag eine ukrainische Abwehrrakete.

Polen, die G7-Staaten und die Nato informieren erst im Verlauf des Vormittages konkret. In gemeinsamen Statements drückt man Polen sein Beileid, der Ukraine (beinahe) bedingungslose Unterstützung und der Welt ein wenig Sicherheit aus.

«Es ist nicht das Verschulden der Ukraine»

Nachmittags tritt dann Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (63) vor die Medien und berichtet, wie die Nato-Mitgliedsstaaten zu dem Vorfall in Polen stehen. «Es gibt keine Hinweise, dass es sich um einen absichtlichen Angriff handelte oder dass Russland einen Angriff auf Nato-Länder plant.»

Man wird als Verteidigungsbündnis also nicht in den Konflikt eingreifen. Ein «Dritter Weltkrieg» – wie er befürchtet wurde – bleibt vorerst aus. Stoltenberg betont: «Lasst mich klarstellen: Das ist aber nicht das Verschulden der Ukraine – sondern Russlands.»

Er bekräftigt die Motivation der Nato, für Frieden zu sorgen. «Wir alle wollen Frieden. Wir alle wollen, dass dieser Krieg endet.» Doch da das Resultat der Friedensgespräche direkt im Zusammenhang mit den Resultaten auf dem Schlachtfeld stehen, sei die (militärische) Unterstützung der beste Weg, um diesen Frieden zu erreichen. (chs)

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