Der Krieg in der Ukraine hat den Alltag in der russischen Duma verändert. Besonders, was den Alkoholkonsum angeht. Immer mehr tauchen mit einer Fahne bei der Arbeit auf – offenbar aus Verzweiflung über die Entwicklung des Krieges, wie Quellen dem Investigativportal Verstka bestätigen.
Vor allem seit es einen internationalen Strafbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) gibt, sollen russische Politiker tiefer ins Glas schauen. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass der Kremlchef vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag (Niederlande) gezerrt wird, doch das gilt nicht für seine Untergebenen. Und Putin ist bekannt dafür, für jede Niederlage einen Sündenbock zu finden. Viele Beamten haben Angst und versuchen diese wegzutrinken.
«Früher hat nicht jeder Tag in der Präsidialverwaltung mit einem Glas Wodka begonnen», sagt ein anonymer Beamter zu Verstka. «Jetzt kenne ich viele, die das machen. Manchmal wird aus dem Glas eine Flasche.» Auch in den Sitzungen sollen laut Mitarbeitenden hohe Beamte angetrunken ins Büro taumeln. «Die Nerven liegen wegen der Nachrichten und dem Druck des Kremls blank», erklärt eine Zeugin.
Rechnungen bei Staatsbanketten für Alkohol verdoppelt
Ein Vize-Gouverneur einer Uralregion räumt ein, seit dem Krieg viel mehr zu trinken, als zuvor. Er könne gar nicht mehr mit dem Trinken aufhören, sagt er. Das komme ihm aber angesichts der Umstände «ganz normal» vor.
Ein anderer Vize-Gouverneur sagt, dass sogar bei offiziellen Staatsbanketten das Alkohollimit erhöht wurde. Früher rechnete man mit einer Flasche Wein pro Person – heute sind es bereits zwei.
Der Rubel rollt, der Wein fliesst
Lieferanten bestätigen den erhöhten Alkoholkonsum: Die Regierungsbehörden würden mehr Cognac, Champagner und Wein kaufen. Erst kürzlich wurden bei einem offiziellen Treffen fünf Millionen Rubel (über 500'000 Franken) für Wodka ausgegeben, belegt eine Rechnung des Kreml-Caterings. Trotz Sanktionen rollt der Rubel und der Alkohol fliesst. Russland umgeht auch die Einfuhrverbote durch Drittstaaten wie etwa Mazedonien.
Bereits im September war Putin besorgt um den Zustand «einiger Menschen aus seinem engsten Kreis», sagte eine Quelle zum russischen Exilmedium «Meduza». «Seit Beginn des Kriegs bauen die Menschen Stress ab» fährt eine Quelle fort. «Das sind Minister, ihre Stellvertreter, einige stellvertretende Premierminister, Mitarbeiter der Präsidialverwaltung und des Sicherheitsrats, einige Leiter staatlicher Unternehmen, Gouverneure.»
Putin selbst ist grosser Fan von Bier. Seit 2020 will er aber gesünder leben. «Ich versuche in letzter Zeit, kein Bier zu trinken. Der Bauch wächst», so der Präsident. Andere kremlnahe Quellen bestätigen: Der Präsident ist stets nüchtern. (jwg)