Augenzeugen berichten aus Kabul
«Menschen wurden in alle Richtungen geschleudert»

Nach den verheerenden Anschlägen in Kabul schildern Augenzeugen die Momente der Explosion. Über hundert Menschen sind tot, über 140 verletzt.
Publiziert: 27.08.2021 um 07:51 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2021 um 08:22 Uhr
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Zwei Selbstmordattentäter fordern am Donnerstag in Kabul Dutzende Tote.
Foto: AFP

Chaos am Flughafen Kabul am Donnerstag. Tausende Menschen drängen in Richtung des Eingangs. Auch eine Woche nach der Machtübernahme der Taliban versuchen sie noch immer verzweifelt, aus Afghanistan zu fliehen. Die Strassen sind voll, die Zivilisten stehen dicht an dicht.

Inmitten des Gedränges zünden zwei Selbstmordattentäter der Terror-Splittergruppe Islamischer Staat Khorasan, die mit den Taliban verfeindet ist, ihre Sprengstoffgürtel. Bei den Explosionen rund um das Flughafengelände sterben über 100 Menschen, über 140 werden teils schwer verletzt.

Video zeigt Explosion beim Flughafen von Kabul
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Tote und viele Verletzte:Video zeigt Explosion beim Flughafen von Kabul

Taliban verurteilen Anschlag

«Plötzlich gab es eine Explosion», schildert ein Augenzeuge den schrecklichen Moment gegenüber dem afghanischen Fernsehsender Tolo-TV. «Uns war klar, dass es viele Betroffene gab. In alle Richtungen wurden Menschen geschleudert», sagt er. Verletzte seien in Schubkarren weggefahren worden, er habe auch Ausländer unter den Toten gesehen. Mittlerweile ist klar: Unter den Opfern befinden sich auch mindestens 13 US-Soldaten.

Ein Taliban-Kämpfer direkt an der Stelle der Explosion sagt zu einem Reporter der «New York Times», der Anschlag habe sich wohl gegen die Amerikaner gerichtet: «Die Situation ist ausser Kontrolle. Überall liegen Menschen, sie sind tot, verletzt. Es gibt viele Tote.» Ein Sprecher der Taliban verurteilte den Anschlag.

«Situation ist wirklich dramatisch»

Eine afghanische Journalistin sagt verzweifelt, ihr Mann sei unter den Verletzten: «Er wollte heute Morgen zum Flughafen. Ich habe ihn angebettelt, aber er wollte unbedingt gehen und uns mit seinem Regierungsausweis ausser Landes bringen. Wir haben vier Kinder. Was wird mit uns hier passieren?»

Hunderte Verletzte landen in den Spitälern rund um den Flughafen. Augenzeugen berichten von «endlosen Kolonnen von Ambulanz-Autos», welche die Verwundeten ins Spital bringen. Gegenüber dem «Spiegel» sagt ein leitender Arzt, er sei sofort von zu Hause ins Spital gefahren, als er von den Anschlägen gehört habe. «Es sind Menschen mit Explosions- und Schusswunden», sagte er.

US-Geheimdienste warnten seit Tagen vor einem möglichen Anschlag am Flughafen Kabul. Ein ehemaliger Geheimdienstler, der in Kabul stationiert war, meinte am Telefon mit dem «Times»-Reporter: «Die Situation hier ist wirklich, wirklich dramatisch.» (zis)

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