In der Ukraine wächst die Verzweiflung. Im Krieg gegen die russischen Invasoren geben die politische und die militärische Führung weiterhin Durchhalteparolen aus. Doch während Russland aus einem schier unendlichen Pool von Waffen und Soldaten zu schöpfen scheint, erschöpfen sich die Reserven der Ukraine.
In ukrainischen Medien sorgen jetzt Aussagen eines hohen Militärkommandanten für Aufsehen. Dieser glaubt nicht länger an einen Sieg. Das bestmögliche Szenario: Die Ukraine könne sich vielleicht noch eine gute Verhandlungsposition erkämpfen. Doch dafür gehöre ein hoher Preis bezahlt.
Der Krieg mit Russland werde nicht in einem Triumph über die Aggressoren, sondern in Verhandlungen enden, sagte Wassili Samowar, Dienstchef des Luft- und Verteidigungsdienstes der 3. separaten Angriffsbrigade, dem lokalen Fernsehsender Dniepr TV. Der einzige Hoffnungsschimmer für die Ukraine sei, sich jetzt noch eine starke Verhandlungsposition zu verschaffen.
Erschöpfte Truppen
Wenn Russland das derzeitige Tempo der Mobilisierung und der Umstellung auf die Militärwirtschaft beibehalte, sei sein Sieg garantiert, so Samowar. Daher müsse sich die Ukraine auf eine totale Mobilmachung und einen harten Winter einstellen.
«2024 wird viel härter sein als 2023 und 2022 zusammen», sagt der Dienstchef. «Ich glaube, dass dieser Krieg, wie jeder Krieg in der Welt, mit Verhandlungen enden wird. Aber wir müssen eine starke Position haben.» Mangels Geld und Ressourcen im Gegensatz zu Russland «müssen wir uns auf die totale Mobilisierung und einen schwierigen Winter vorbereiten».
Zuvor hatte die «Washington Post» berichtet, dass sich in den ukrainischen Streitkräften Erschöpfung breitmache. Mit Motivation allein sei der Krieg nicht zu gewinnen, wird ein ukrainischer Soldat der 128. separaten Gebirgssturmbrigade zitiert. «Die Jungs sind müde – sehr müde», sagte er. «Sie sind immer noch motiviert – viele Menschen verstehen, dass sie keine andere Wahl haben.»
Kiew ruft auch Ukrainer in der Schweiz zum Kriegsdienst auf
Kiew will bis zu einer halben Million mehr Männer an der Front – auch die Mobilmachung von Frauen wird mittlerweile ins Gespräch gebracht. Dies, während der neue ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow (41) diese Woche die Mobilisierung von wehrfähigen Männern ins Spiel brachte, die im Ausland leben.
Männer zwischen 25 und 60 Jahren sollen sich für den Kriegsdienst melden – «wo immer Sie sich befinden», lautet der Appell des ukrainischen Verteidigungsministeriums an wehrfähige männliche Staatsbürger. Der Appell gelte auch für Flüchtlinge in der Schweiz, bestätigte das Ministerium der «SonntagsZeitung».
In der Schweiz leben knapp 70'000 Ukraine-Flüchtlinge. Laut dem Staatssekretariat für Migration sind 9300 Männer zwischen 25 und 60 Jahren registriert, die jetzt zum Kriegs- und auch Frontdienst motiviert werden sollen.