«Russland weiss, dass die Nato das stärkste Militär hat»
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Präsident Egils Levits:«Russland weiss, dass die Nato das stärkste Militär hat»

Auch sein Land wird von Russland bedroht – Blick traf Lettlands Staatspräsidenten Egils Levits (66)
«Ich habe keine Angst vor Putin»

Lettland hat mit Russland einen höchst aggressiven Nachbarn. Im Interview mit Blick sagt der lettische Staatspräsident Egils Levits, warum er dennoch keine Angst vor Putin hat, wie man den Aggressor stoppen muss und warum er die Schweiz so bewundert.
Publiziert: 13.04.2022 um 00:37 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2022 um 08:32 Uhr
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Vertraut der Nato: Der lettische Staatspräsident Egils Levits beim Interview mit Blick.
Foto: STEFAN BOHRER
Guido Felder

Die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland beobachten Wladimir Putins (69) brutalen Einmarsch in der Ukraine mit grösster Sorge. Denn die drei ehemaligen Sowjetrepubliken könnten – trotz Nato- und EU-Mitgliedschaft – ebenfalls zum Ziel russischer Aggressionen werden.

Der lettische Staatspräsident Egils Levits (66) weilte Anfang Woche zu einem offiziellen Besuch in der Schweiz, wo er am Montag in Lugano TI von Bundespräsident Ignazio Cassis (60) empfangen wurde. Blick traf ihn am Dienstag in Zürich zum Interview.

Blick: Herr Präsident Levits, haben Sie Angst vor Putin?
Egils Levits:
Nein! Wir sind Mitglied der Nato, der stärksten Militärorganisation der Welt – ein Vielfaches stärker als Russland. Putin weiss das.

Ein Viertel der Bevölkerung in Lettland sind Russen. Wäre das nicht ein Vorwand für Putin für einen Einmarsch wie in die Ukraine, um seine Leute zu «schützen»?
Die lettische Gesellschaft steht praktisch einig hinter der Ukraine. Innerhalb der russischen Minderheit gibt es eine kleinere Minderheit, die vielleicht Russland-orientiert war, aber durch die Bilder aus der Ukraine jetzt zumindest desorientiert ist.

Ex-Botschafter für die Schweiz

Egils Levits (66) ist seit dem 8. Juli 2019 Staatspräsident von Lettland. Er stammt aus einer jüdischen Familie, die aus der Sowjetunion ausgewiesen worden war, und war von der rechtspopulistischen Partei Nationale Vereinigung nominiert worden. Er studierte Recht und Politologie in Deutschland und amtete in mehreren Ländern als Botschafter, so 1992/93 auch in der Schweiz. 1993/94 war er Justizminister und Vize-Ministerpräsident, anschliessend arbeitete er als Schlichter bei der OSZE und als Richter am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

Egils Levits (66) ist seit dem 8. Juli 2019 Staatspräsident von Lettland. Er stammt aus einer jüdischen Familie, die aus der Sowjetunion ausgewiesen worden war, und war von der rechtspopulistischen Partei Nationale Vereinigung nominiert worden. Er studierte Recht und Politologie in Deutschland und amtete in mehreren Ländern als Botschafter, so 1992/93 auch in der Schweiz. 1993/94 war er Justizminister und Vize-Ministerpräsident, anschliessend arbeitete er als Schlichter bei der OSZE und als Richter am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

Aus dem Kreml kam vergangene Woche auch der Vorwurf, dass die lettische Regierung nazifreundlich sei.
Das ist völlig absurd und hat nichts mit der Realität zu tun.

Als wie gross betrachten Sie die Gefahr, dass Putin das Baltikum doch noch angreift oder provoziert?
Wir gehören der Nato an. Und genau diese Stärke ist es, die Putin zurückhält. Die militärische Kapazität zu stärken, ist Friedenspolitik gegenüber einem aggressiven Staat.

Sind Sie davon überzeugt, dass die Nato den kleinen baltischen Staaten im Ernstfall wirklich beistehen würde?
Das ist der Sinn eines Verteidigungsbündnisses. Es geht darum, dass Putin die Demokratie an sich angreift. Da steht nicht der eine oder andere Staat im Vordergrund.

Putins Aggression führt dazu, dass jetzt überall wieder aufgerüstet wird. Finden Sie das den richtigen Weg?
Man muss aufrüsten, um den Frieden zu erhalten. Ein Angriff auf einen Nato-Staat wäre für Russland eine Katastrophe. Russland ist nicht selbstmörderisch.

Wie kann man Putin stoppen?
Es gibt eine Möglichkeit: Stärke zeigen, und zwar militärisch und politisch. Russland respektiert keine leeren Worte, keine Kriecherei, wie von einigen westlichen Politikern demonstriert wird. Schon Ende der 1930er-Jahre führte es zu nichts, als Chamberlain versuchte, gutmütig mit Hitler zu reden. Gegenüber aggressiven Ideologien funktioniert eine Appeasement-Politik nicht.

Sie waren Richter in verschiedenen internationalen Gremien. Wie kann man Putin zur Rechenschaft ziehen?
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Untersuchungen eingeleitet, der UN-Gerichtshof ebenfalls. Es gibt auch noch die Möglichkeit eines speziellen Tribunals, wie es zurzeit auch zum Jugoslawien-Krieg geführt wird. Ich unterstütze alle drei Ideen.

Putin anerkennt nicht alle internationalen Gerichte. Wie kann man ihn denn vor ein solches Gericht stellen?
Es gibt viele Verbrecher, die auf der Flucht sind. Die Gerichte arbeiten trotzdem.

Was bringt eine Anklage mit einem Urteil, das doch nie ausgeführt werden kann? Putin wird sich ins Fäustchen lachen.
Sein Gemütszustand interessiert mich nicht, mich interessiert das Völkerrecht. Wir dürfen die internationale Ordnung und das internationale Recht nicht aufgeben, sonst wird die Welt in eine kriegerische Anarchie ausarten.

Lettland im Vergleich zur Schweiz

• Fläche: 64'589 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 1,9 Millionen (Schweiz: 8,6 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 17'560 Dollar (Schweiz: 87'367 Dollar)
• Sprachen: Lettisch (Russisch gilt als Fremdsprache)

• Hauptstadt: Riga
• Unabhängigkeit: 18. November 1918 (Wiedererlangung 1990/91)
• Währung: Euro
• Mitgliedschaften: EU und Nato (seit 2004)

* Bruttoinlandprodukt nominal

• Fläche: 64'589 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 1,9 Millionen (Schweiz: 8,6 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 17'560 Dollar (Schweiz: 87'367 Dollar)
• Sprachen: Lettisch (Russisch gilt als Fremdsprache)

• Hauptstadt: Riga
• Unabhängigkeit: 18. November 1918 (Wiedererlangung 1990/91)
• Währung: Euro
• Mitgliedschaften: EU und Nato (seit 2004)

* Bruttoinlandprodukt nominal

Soll die Ukraine Mitglied der EU und der Nato werden?
Wir sowie weitere sieben Staaten unterstützen den schnellen Kandidatenstatus der Ukraine. Bis zur vollen Mitgliedschaft kann noch einige Zeit vergehen. Aber die Ukraine muss den rechten Platz in der demokratischen europäischen Familie finden.

Gerade eine solche westliche Ausrichtung provoziert Putin. Warum hat er eigentlich 2004 nicht eingegriffen, als Lettland der EU und der Nato beitrat?
Damals hatte sich Putin noch nicht so stark in seine imperialistischen Wahnideen hineingesteigert.

Beim Besuch bei Bundespräsident Cassis sagten Sie am Montag, dass eine neue Sicherheitsarchitektur auf Gemeinsamkeiten der demokratischen Staaten basieren müsse. Was hiesse das für die Schweiz?
Die Grundlage der Sicherheitsarchitektur ist die Nato. In der Schweiz überlegt man sich, die Zusammenarbeit zu stärken, ohne selber Mitglied zu werden. Ich würde dies begrüssen.

Vor 30 Jahren waren Sie Botschafter in der Schweiz. Was ist Ihnen in Erinnerung geblieben?
Die Schweiz ist eine Ur-Demokratie. Sie hat für unsere Verfassung Anfang der 1920er-Jahre eine grosse Rolle gespielt. Die Schweiz ist ein demokratischer, weltoffener Staat, der aber dennoch stark auf die eigene Identität setzt.

Finden Sie das gut oder schlecht?
Das ist gut. Die eigene Geschichte und Identität ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft sehr wichtig.

Macht die Schweiz im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine genug?
Die Schweiz hat sich sehr schnell den EU-Sanktionen angeschlossen. Das zeigt ihre Solidarität mit Europa und allen Demokratien.

In der Schweiz kennt man Lettland kaum. Was muss man von Ihrem Land wissen?
Lettland ist ein innovativer, vorwärts orientierter, demokratischer nordischer Staat. Zusammen mit andern Staaten bauen wir Europa.

Wo sehen Sie Ihr Land in 20 Jahren?
Unser Land entwickelt sich ökonomisch sehr schnell. In 20 Jahren werden wir an einem ähnlichen Punkt stehen wie die Schweiz heute.

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