Die Corona-Epidemie scheint Donald Trump (74) zu entgleiten. Auch wenn er behauptet, dass er die «Kung Flu», wie er die Seuche verharmlosend nennt, im Griff habe. Bis Mitte dieser Woche gab es in den USA insgesamt rund 2,5 Millionen Infizierte und 123'475 Tote – so viele wie in keinem andern Land der Welt.
Die EU prüft darum, US-Bürgern die Einreise auch weiterhin zu verbieten.
In den USA ist keine Entspannung in Sicht. Im Gegenteil. In rund der Hälfte der Bundesstaaten steigen die Zahlen wieder an. Der führende US-Immunologe in der Corona-Krise, Anthony Fauci (79), ist besorgt. Fauci sprach bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus von einem «beunruhigenden Anstieg von Infektionen».
Besonders dramatisch ist die Lage in Florida, Texas, Arizona, Oklahoma, South Carolina, Idaho, Oregon, Hawaii und Nevada. Die nächsten Wochen seien entscheidend dafür, diesem Anstieg entgegenzuwirken, sagte Fauci.
Zu früh gelockert
Es gibt einen Hauptgrund für den grossen Anstieg: Einige Staaten haben auf Anraten des Weissen Hauses schon früh den Lockdown wieder gelockert und sind zum Alltag zurückgekehrt. Florida etwa begann mit der Öffnung am 18. Mai, als noch um die 600 neue Fälle pro Tag verzeichnet wurden. Am 20. Juni waren es wieder über 4000!
Auch verzichten viele Amerikaner auf das Tragen von Masken. Warum sollten sie sich schützen, ihr Präsident tut es in der Öffentlichkeit ja auch nicht.
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Durch die Missachtung von Sicherheitsmassnahmen kann sich das Virus problemlos weiterverbreiten, sei es an privaten Partys, Trumps Wahlanlässen oder an den vielen Demonstrationen, die nach dem Tod von George Floyd (†46) stattfinden.
Im Radiointerview sagte Fauci, eine zweite Ansteckungswelle «ist nicht unvermeidbar». Doch die US-Staaten müssten in der Lage sein, Kontakte Infizierter zurückverfolgen zu können, um neue Ausbrüche zu vermeiden. Fauci rief zudem Teilnehmer der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt dazu auf, Gesichtsmasken zu tragen.
Trump lässt weniger testen
Trump spielt die Zunahme der Fälle herunter. Er hat angeordnet, die Anzahl Tests zu reduzieren. «Wenn wir mehr testen, finden wir mehr Fälle», sagte er. «Testen ist ein zweischneidiges Schwert.» Die USA hätten 27,5 Millionen Tests durchgeführt, mehr als jedes andere Land.
Die WHO widerspricht. «Wir glauben nicht, dass dies ein Testphänomen ist», sagt Mike Ryan (55), Direktor des WHO-Notfallprogramms. Ryan: «Die Anzahl Spitaleinweisungen und Todesfälle nimmt auch in andern Ländern zu. Es ist nicht einfach auf vermehrte Tests zurückzuführen. Es gibt also definitiv eine Verschiebung in dem Sinne, dass das Virus jetzt auf globaler Ebene sehr gut verankert ist.»
Sogar der ehemalige US-Präsident Barack Obama (58) schaltet sich nun in die Corona-Diskussion ein und fährt Trump, wenn auch nicht namentlich, an den Karren. Bei einer Wahlveranstaltung mit Trump-Herausforderer Joe Biden (77) sagte Obama, die Regierung suggeriere, dass «Fakten keine Rolle spielen, Wissenschaft keine Rolle spielt» und dass es sich bei einer tödlichen Krankheit um «Fake News» handle. (gf)