Während WHO vor neuer Pandemie-Welle warnt
Unbeeindruckter Trump hält Wahlkampfrally vor 100'000 Menschen ab

Die Coronavirus-Pandemie beschleunige sich wieder, warnt die WHO. Derweil will US-Präsident Trump heute eine Mega-Wahlkampfrally in Tulsa, Oklahoma, vor 100'000 Menschen abhalten. Dies, während Infektionskurven in den USA weiter hochklettern.
Publiziert: 20.06.2020 um 02:09 Uhr
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Aktualisiert: 24.06.2020 um 12:10 Uhr
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Donald Trump macht wieder Wahlkampf – live.
Foto: AFP
Daniel Kestenholz

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt Alarm. Bei den weltweiten Corona-Infektionszahlen zeige sich eine neue Dynamik. Trotz Lockerungen in Europa «beschleunigt sich die Pandemie», warnte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus (55) am Freitag. Brasilien hat jetzt die Marke von einer Million Infizierter durchbrochen. «Die Welt ist in einer neuen und gefährlichen Phase», so Tedros. «Das Virus verbreitet sich schnell, es ist immer noch tödlich und die meisten Menschen können sich immer noch infizieren.»

Während die WHO die Welt in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen versucht, bereitet sich US-Präsident Donald Trump (74) auf seinen grössten Auftritt seit Ausbruch der Pandemie vor. In Tulsa im US-Bundesstaat Oklahoma wird er am Samstag bis zu 100'000 Menschen begrüssen.

Es ist Trumps grösster «MAGA»-Auftritt vor Menschenmassen seit seiner Rally am 2. März in North Carolina, als die Pandemie Amerika zu überrollen begann. «MAGA» steht für «Make America great again». In einer Umfrage hält selbst Trumps Haussender «Fox News» fest, «Wahlkampfkundgebungen sind eine schlechte Idee». Doch Trump will sich im Wahlkampf nicht länger durch das Virus bremsen lassen. Dabei schlägt der US-Präsident offenbar alle Warnungen in den Wind.

Infektionszahlen steigen

Trump sucht wieder die grosse Bühne und Nähe zu Menschen, obwohl die Covid-19-Infektionszahlen im Land nicht abflachen. Im Gegenteil. Kalifornien hat eben Maskenpflicht ausgerufen. Laut der «Washington Post» verzeichnen 21 der 50 Bundesstaaten einen Anstieg der täglichen Neuerkrankungen.

In vielen Regionen erreichten die Zahlen der täglichen Neuinfektionen zuletzt Höchstwerte – darunter in den bevölkerungsreichen Bundesstaaten Texas oder Florida. Insgesamt gibt es im Land mehr als 2,2 Millionen nachgewiesene Erkrankungen und 119'000 Todesopfer – mehr als in jedem anderen Land.

Oklahoma gehört zu dem Dutzend Bundesstaaten, die unlängst ein Rekordhoch an wöchentlichen neuen Fällen aufwiesen. Doch für Trumps Rally hat der republikanische Bürgermeister von Tulsa, G.T. Bynum (43), kurzerhand eine für Freitag und Samstag verhängte nächtliche Ausgangssperre gekippt. Dies aus Sorge, wie US-Medien berichten. Weil 100'000 Menschen erwartet werden, fürchtet Bynum zivile Unruhen, würde Trump-Anhängern der Zutritt verwehrt.

Trump warnt Gegner

Tulsa befindet sich jetzt im Ausnahmezustand. Denn es werden auch Ausschreitungen von Trump-Gegnern befürchtet. Mit einem Tweet hat der Präsident bereits eine unverhohlene Drohung an alle ausgesprochen, die seinen Wahlkampfauftritt zu stören versuchen. Der Präsident erwartet wohl, dass es in Tulsa nur so vor Anhängern wimmeln werde, und warnt seine Widersacher.

«Alle Demonstranten, Anarchisten, Agitatoren, Plünderer oder Abschaum, die nach Oklahoma gehen», so der Präsident, «haben bitte Verständnis dafür, dass sie nicht wie in New York, Seattle oder Minneapolis behandelt werden. Es wird eine ganz andere Szene sein!»

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Die BOK-Arena fasst nur 19'000 Menschen, doch schon am Donnerstag haben sich Trump-Loyale vor dem Stadion aufgereiht. Behörden errichteten Barrikaden in Erwartung der Zehntausenden von Menschen, die im Aussenbereich an der Rally teilnehmen wollen. Gruppen harren vor dem Stadion in behelfsmässigen Zelten, unter Sonnenschirmen und auf Campingstühlen aus, bis sie Trump hautnah erleben dürfen. Von Masken oder Sicherheitsabständen ist nichts zu sehen.

Ärzte befürchten Superspreader-Anlass

Inzwischen haben fast 800 Ärzte und medizinische Fachleute in Oklahoma ein Protestschreiben verfasst und den Bürgermeister von Tulsa aufgefordert, die Rally abzusagen. Sie warnen vor einem Superspreader-Event, bei dem eine kleine Anzahl von Infizierten eine grosse Anzahl von Menschen anzustecken riskiere.

«Es ist keine politische, sondern eine gesundheitspolitische Angelegenheit, dass unsere Stadt einer der ersten Orte der Welt ist, an dem ein Treffen dieser Grössenordnung in geschlossenen Räumen stattfinden kann», so der Brief. «Da die Covid-19-Zahlen unserer Stadt und unseres Bundesstaates in einem bisher nicht gekannten Tempo steigen, ist es undenkbar, dass dies als logische Entscheidung angesehen wird.»

Wer Angst hat, soll zu Hause bleiben

Trump und sein Wahlkampfstab zeigen sich unbeeindruckt. Die Körpertemperatur von Teilnehmern werde gemessen und Handdesinfektionsmittel sowie Schutzmasken ausgegeben. Kevin Stitt (47), republikanischer Abgeordneter von Oklahoma, sagte, wer Angst vor einer Infektion habe, soll zu Hause bleiben.

Trump wiederum sieht das Land auf einem guten Weg – trotz des besorgniserregenden Anstiegs von Corona-Infektionen in einer Reihe von US-Bundesstaaten. «Es war eine interessante Zeit, es war schrecklich, so viele Leben sind verloren gegangen, wir werden diese unglaublichen Menschen nie vergessen. Aber sie werden nicht umsonst gestorben sein», sagte Trump in einem Video, das er am Freitag bei Twitter veröffentlichte.

Die USA würden nun stärker werden als jemals zuvor. Trump lobte zudem die seiner Ansicht nach grossartigen jüngsten Daten vom Arbeitsmarkt: «Unser Land kommt wirtschaftlich sehr, sehr stark zurück.»

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