Darum gehts
- Europäische Länder stärken Streitkräfte angesichts russischer Bedrohung und US-Rückzug
- Baltische Staaten und Finnland setzen auf Wehrpflicht
- 53 Prozent der Franzosen befürworten Wiedereinführung der Wehrpflicht
Der Ukraine-Krieg macht anderen Ländern Angst. Was, wenn Wladimir Putin (72) auch sie angreift? Je geringer die Entfernung eines Landes zu Russland, desto intensiver sind die Bemühungen, die eigenen Streitkräfte zu stärken. Eine Übersicht.
Deutschland
Die Ex-Ampel-Regierung in Deutschland hatte kurz vor ihrem Bruch Pläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius (65) für einen neuen Wehrdienst auf den Weg gebracht. Sie sehen unter anderem vor, alle jungen Männer und Frauen anzuschreiben, um sie nach ihrer Bereitschaft zum Dienst bei der Bundeswehr zu befragen. Auf diese Weise sollen mehr junge Menschen rekrutiert werden. Eine Dienstpflicht lehnt Pistorius vorerst jedoch ab.
Der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn (51) forderte hingegen kürzlich die baldige Wiedereinführung der seit 2011 ausgesetzten Wehrpflicht: «Noch im Jahr 2025 müssen die ersten Wehrpflichtigen durch die Kasernentore schreiten», betonte er.
Grossbritannien
In Grossbritannien gab es von 1947 bis 1960 einen Pflichtdienst: Männer im Alter zwischen 17 und 21 Jahren mussten damals 18 Monate lang in der Armee dienen. Premierminister Rishi Sunak (44) machte sich vor seiner Wahl für eine Wiedereinführung stark. Nach Schätzungen seiner Partei würde der neue Dienst etwa 2,5 Milliarden Pfund (2,8 Milliarden Franken) jährlich kosten. Starten sollte die Pflicht demnach im September dieses Jahres. Doch bislang wurde die Wehrpflicht nicht umgesetzt.
Frankreich
In Frankreich wird die Debatte kontrovers geführt. Präsident Emmanuel Macron (47) räumte kürzlich in einem Interview ein, dass die Rückkehr zur Wehrpflicht «keine realistische Option» sei. Stattdessen wolle er nach Wegen suchen, «Zivilisten zu mobilisieren». Bis Mai sollen Regierung und Armee Vorschläge unterbreiten, wie mehr junge Freiwillige mobilisiert werden können, um die Streitkräfte im Bedarfsfall zu unterstützen. In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage sprachen sich 53 Prozent der Franzosen für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus.
Italien
Seit 2005 gibt es in Italien keine allgemeine Wehrpflicht mehr. Vergangenes Jahr gab es einen Gesetzesentwurf, der einen sechsmonatige Pflichtdienst vorsah. Doch dieser wurde nicht umgesetzt.
Spanien
Spanien verfügt ebenfalls über keine Wehrpflicht. Sie wurde im Jahr 2001 bereits abgeschafft.
Estland
In den Baltenstaaten, die früher zur Sowjetunion gehörten, wird die russische Bedrohung besonders intensiv empfunden. In Estland ist der Wehrdienst für Männer verpflichtend und für Frauen freiwillig.
Lettland
Lettland führte die erst 2006 abgeschaffte Wehrpflicht vor zwei Jahren wieder ein. Heute gibt es dort mehr Bewerber als bezahlte Posten bei den Streitkräften.
Finnland
Finnland, das eine lange Grenze mit Russland teilt, hat die Wehrpflicht seit Ende des Zweiten Weltkriegs nie abgeschafft. «Dieses Land hat die Invasion seines Territoriums durch die Rote Armee erlebt. Die Finnen wissen, was es bedeutet, Russen auf ihrem Gebiet zu haben», sagt Maxime Launay vom Institut für strategische Forschung der Militärschule in Paris.
Polen
Der polnische Regierungschef Donald Tusk (67) will von 2027 an jährlich 100'000 Freiwillige zwischen 18 und 60 Jahren militärisch ausbilden lassen. Derzeit nehmen jährlich etwa 35'000 Menschen in Polen an einer vergleichbaren Militärausbildung teil.
Schweiz
In der Schweiz gilt nach wie vor die Dienstpflicht für jeden Schweizer Bürger, in dem Jahr, in dem er 18 Jahre alt wird. Frauen können freiwillig in die Armee eintreten. «Bis Ende deines 24. Altersjahres musst du die Rekrutierung absolviert haben. Die Rekrutenschule kann frühestens ab dem 19. Altersjahr und muss spätestens bis zum 25. Altersjahr absolviert werden», schreibt die Schweizer Armee auf ihrer Internetseite dazu.