Angela Merkel will Corona-Ausgangssperre
Warum fährt Deutschland noch mal runter?

Die Corona-Zahlen in Deutschland sind vergleichbar mit jenen der Schweiz. Während wir sanft lockern, will Angela Merkel alles abriegeln. Dagegen regt sich nun sogar aus ihren eigenen Reihen Widerstand.
Publiziert: 14.04.2021 um 16:52 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2021 um 18:17 Uhr
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Georg Nopper

Bundeskanzlerin Angela Merkel (66) will knallhart durchgreifen. Kommt ihr Pandemiegesetz im Bundestag durch, gilt in Regionen mit über 100 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner innerhalb einer Woche eine nächtliche Ausgangssperre. In der Schweiz, wo sich die Corona-Zahlen auf einem ähnlichen Niveau bewegen, werden währenddessen weitere Lockerungsschritte erwartet. So können wir etwa ab Montag wieder in der Gartenbeiz die Sonne geniessen.

Der Umgang mit der momentanen Pandemie-Entwicklung unterscheidet sich in Deutschland deutlich vom Vorgehen des Bundesrats. Dabei gäbe es durchaus auch aus der Wissenschaft konkrete Hinweise darauf, dass ein Lockdown mit Ausgangssperren nicht zum Ziel führt: Deutsche Aerosolforscher haben unlängst in einem offenen Brief an die Bundesregierung einen Strategiewechsel gefordert. Die Gefahr lauere in Innenräumen, nicht draussen. Statt Ausgangssperren und geschlossener Gartenbeizen brauche es Lüftungsfilter und eine Sensibilisierung der Bevölkerung.

Deutschland will Corona-Notbremse einführen
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Merkel greift durch:Deutschland will Corona-Notbremse einführen

Einige Abgeordnete aus CDU und CSU zweifeln

Ein Ländervergleich anhand der Daten der Internetseite ourworldindata.org zeigt, dass sich die Corona-Fallzahlen in der Schweiz und in Deutschland derzeit ähnlich entwickeln. In Deutschland gibt es pro Million Einwohner sogar etwas weniger Neuinfektionen. Bei der Zahl der täglichen Corona-Toten liegt der Wert pro Million Einwohner in Deutschland etwas über jenem in der Schweiz. Zudem steigt die Kurve dort seit einigen Tagen, während die Schweiz einen Rückgang verzeichnet.

Nachdem Merkel in der Bund-Länder-Runde mit ihrem Vorschlag einer erweiterten Osterruhe scheiterte, will sie ihren Knallhart-Kurs nun via Infektionsschutzgesetz an den Ländern vorbei durchpeitschen. Ob sie im Bundestag damit durchkommt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Widerstand jedenfalls ist ihr gewiss, laut einer Umfrage von «Bild» sogar aus den Reihen der Union: Ein Dutzend Abgeordnete von CDU und CSU erklären demnach, die Änderung des Gesetzes nicht mitzutragen.

Der CSU-Abgeordnete Michael Kuffer (49) sagt zum Beispiel, Spazierengehen dürfe nicht verboten werden. Die Politik müsse «Dinge tun, die noch etwas Realitätssinn erkennen lassen, sonst verlieren wir die Zustimmung der Menschen». Für Hans-Jürgen Irmer (69, CDU) ist die Ausgangssperre «völlig unverhältnismässig und willkürlich». Das Gesetz fördere die Spaltung der Gesellschaft.

Für Drosten geht die Notbremse nicht weit genug

Für den Star-Virologen und Regierungsberater Christian Drosten (48) von der Berliner Charité geht Merkels Vorschlag einer Corona-Notbremse mit Ausgangssperre in die richtige Richtung. Doch die Massnahmen gehen ihm nicht weit genug. Drosten fordert angesichts einer drohenden Überlastung der Spitäler weitere Schritte, wie er im Podcast «Coronavirus-Update» bei ndr-Info sagt: «Ich denke, dass man anhand der sich jetzt einstellenden Situation in den Krankenhäusern auch noch mal anders reagieren muss.»

Auch der Gesundheitsexperte und SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach (58) warnt davor, dass Merkels Knallhart-Kurs nicht ausreichen könnte. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagt Lauterbach, Ausgangsbeschränkungen und die Testung in den Betrieben würden dazu beitragen, das Infektionsgeschehen abzubremsen. «Aber die Schritte reichen nicht, um den R-Wert unter 1 zu senken.» Der R-Wert bezeichnet, wie viele weitere Personen eine mit Corona infizierte Person ansteckt. Lauterbach ist im Gegensatz zu den Äusserungen von Aerosolforschern davon überzeugt, dass Ausgangssperren die Anzahl der Neuinfektionen senken können.

Zweifel an Aussagekraft des Inzidenzwerts

Auch in der Wissenschaft regt sich Widerstand gegen Merkels Knallhart-Kurs. Drostens Vorgänger an der Charité, der Virologe Detlev Krüger (70), fordert gemeinsam mit Klaus Stöhr (62), einem früheren Epidemiologen der Weltgesundheitsorganisation, das Mass der Sieben-Tage-Inzidenz abzuschaffen. Mit diesem werden in Deutschland sämtliche Restriktionen begründet. In einem Brief an die Fraktionschefs des Bundestags fordern die beiden Wissenschaftler, dass die Politik ihre Massnahmen an Erkrankungen ausrichtet, nicht an Infektionen. Der Inzidenzwert gebe auch «aufgrund der durchaus erwünschten Ausweitung von Testaktivitäten zunehmend weniger die Krankheitslast in der Gesellschaft wieder».

Weil mehr getestet werde, so ihre Argumentation, würden auch mehr Infektionen entdeckt. Dies bedeute jedoch nicht, dass all diese Menschen wirklich an Corona erkrankten. Nicht die Anzahl Ansteckungen soll über die Massnahmen entscheiden, sondern «die Häufigkeit der Erkrankungen und ihre jeweilige Schwere». Krüger und Stöhr empfehlen deshalb, sich an der «Anzahl der Covid-bedingten intensivstationären Neuaufnahmen» zu orientieren.

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