Wie lange haben die Brexit-Befürworter den Moment herbeigesehnt: Heute um Mitternacht werden die Briten definitiv aus der EU austreten. Doch schon bevor die EU-Zeit abgelaufen ist, hat Premierminister Boris Johnson (55) seine Fühler nach den USA ausgestreckt. Gestern empfing er US-Aussenminister Mike Pompeo (56), um über ein neues Handelsabkommen zu verhandeln.
Den beiden glänzten ob der zukünftigen Zusammenarbeit die Augen. Pompeo stellte Johnson eine exponentielle Zunahme der Handelsbeziehungen in Aussicht, sobald Grossbritannien von den Handelsbeschränkungen der EU befreit sei.
Nur nicht zu laut feiern
Noch heute Abend wird Johnson zu den Briten reden. In erster Linie muss er das gespaltene Königreich wieder zu einer Einheit zusammenkitten und alle von der neuen Freundschaft mit den USA überzeugen. Sich in Partylaune zu versetzen, liegt für ihn nicht drin – zu sehr würde er die Brexit-Gegner in Rage versetzen.
Überhaupt wird das Fest, das eigentlich zur Jahrhundertparty hätte werden sollen, heute Nacht eher leise über die Bühne gehen. Auf ein offizielles Feuerwerk wird verzichtet. Nigel Farage (55), der mit seiner Brexit-Partei an vorderster Front für den Austritt gekämpft hatte, musste seinen Anhängern mitteilen, dass er keine Erlaubnis für Raketen oder anderes Knallzeug bekommen habe.
Glocken nur ab Konserve
Selbst der Big Ben wird schweigen, weil der Elizabeth-Turm zurzeit renoviert wird. 600'000 Franken hätte es gekostet, das 13,5 Tonnen schwere Monster vorübergehend zu aktivieren. Hören wird man den Big Ben nur aus der Konserve: Sein Ton soll über Lautsprecher verbreitet werden.
Auch der Vorschlag, die Kirchenglocken wie zum Ende des Weltkriegs zum Klingen zu bringen, stiess auf Ablehnung. Der Zentralrat der Glöckner betonte, dass er das «Läuten von Glocken aus politischen Gründen nicht befürwortet».
«A bientôt EU, see you soon!»
Auf den Strassen werden Bier und Champagner fliessen. Menschen werden Fahnen schwenkend – entweder die EU-Flagge oder den Union Jack – durch die Strassen marschieren. An Johnsons Regierungssitz, der Downing Street Nr. 10, wird eine Uhr an die Mauer projiziert. Die Brexit-Gegner werden sich derweil zu einem Protestmarsch formieren, der sie von der Downing Street zum Sitz der EU-Kommission führt. Das Motto: «A bientôt EU, see you soon!»
Auch beim Eingangstor zu Grossbritannien, in der südlichen Hafenstadt Dover, werden sich Brexit-Befürworter und -Gegner gegenüberstehen. Auf den bis zu 106 Meter hohen Kalkfelsen sollen zwei gigantische Banner hochgezogen werden. Auf einem wird in grossen Lettern «Wir lieben UK» prangen, auf dem anderen «Wir lieben die EU immer noch!».
Leiser Abschied
Der Austritt aus der EU ähnelt stark dem Beitritt der Briten im Jahre 1973. Auch damals war das Königreich gespalten, auf ausschweifende Festivitäten wurde verzichtet. Der «Guardian» berichtete damals: «Man merkt kaum, dass etwas Wichtiges geschehen ist.»
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.