Darum gehts
- Trumps Regierung plant Babybonus zur Steigerung der Geburtenrate in den USA
- Experten zweifeln an Wirksamkeit, fordern stärkere Anreize und längerfristige Massnahmen
- Geburtenrate in den USA von 1,93 (2010) auf 1,66 (aktuell) gesunken
«Ich will mehr Babys in den Vereinigten Staaten von Amerika», sagte US-Vizepräsident J. D. Vance (40) Ende Januar dieses Jahres. Kein Wunder: Die Geburtenrate im Land geht zurück. 2010 kamen noch 1,93 Kinder pro Frau zur Welt. Inzwischen ist die Zahl auf 1,66 gesunken. Und das macht der Trump-Regierung Angst. Übrigens: In der Schweiz sieht es nicht besser aus. 2010 lag die Quote bei 1,52, im Jahr 2024 bei 1,28.
Vance äussert sich immer wieder besorgt über die niedrige Geburtenrate. Gleichzeitig fordert er, dass Kinderlose in einer Demokratie weniger zu sagen haben und mehr Steuern zahlen sollten.
«Für mich klingt das nach einer guten Idee»
Damit es wieder mehr Nachwuchs im Land gibt, hat die Trump-Regierung mehrere Vorschläge ausgearbeitet. Einer davon: ein Babybonus! Pro Kind sollen die Eltern 5000 US-Dollar (4100 Franken) bekommen. Das berichtet die «New York Times».
«Für mich klingt das nach einer guten Idee», sagte US-Präsident Donald Trump (78) vergangene Woche. Aber stimmt das auch? Kann ein Babybonus tatsächlich die Geburtenrate steigern?
Es braucht stärkere Anreize
Die Idee ist nicht neu. Aber: Ein Babybonus wie in Südkorea, Ungarn oder jetzt in den USA hat nur einen kurzzeitigen Effekt. «Es gibt, wenn überhaupt, ein paar wenige Prozente mehr Geburten. Aber nicht signifikant mehr», sagt Hendrik Budliger vom Kompetenzzentrum Demografik zu Blick. Wirklich gelöst werde das Problem der niedrigen Geburtenrate nicht. Der Staat müsse stärker in Familien investieren, sonst sehe es düster aus für die Zukunft. «Wenn immer weniger Kinder nachkommen, sterben wir langsam aus. Das ist ein schleichender Prozess.»
Es bräuchte stärkere Anreize und längerfristige Massnahmen, um es attraktiver zu machen, Kinder zu bekommen, ist Lisa Triolo von Demografik überzeugt. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und finanzielle Entlastungen für Eltern sind Aspekte, wo der Staat eingreifen kann. Frankreich habe das zum Beispiel stärker gemacht.
«Familien mit drei Kindern werden bei den Steuern entlastet», so die Demografie-Forscherin. Doch die Gründe für die tiefen Geburten sind vielzählig und können nicht nur durch finanzielle Anreize erhöht werden.
«Wir können verhüten und damit Kinder planen»
Soziologin Katja Rost (49) von der Universität Zürich hält von Trumps Idee ebenfalls nicht viel. «Bei so wenig Geld bewirken die Bonuszahlungen nichts», sagt die Professorin zu Blick. Schliesslich sind nicht die finanziellen Gründe schuld am Geburtenrückgang. Da stecke viel mehr dahinter.
«Wir können verhüten und damit Kinder planen, und damit werden Geburten immer weiter nach hinten im Lebenslauf verschoben. Und oft klappt es dann nicht mehr, wenn man will. Sei es aus biologischen Gründen oder weil dann kein Partner da ist.» Hinzu kommt: Kinder kosten Unabhängigkeit. Und gerade in der heutigen Zeit wollen sich viele selbst verwirklichen. Rost zu Blick: «Kinder verpflichten ein Leben lang. Hobbys, Ferien, Karriere, ein luxuriöses Leben gehen flöten. Warum also Kinder?»
Was für eine Bereicherung Kinder sind, merke man erst, wenn man welche hat. Und genau dieses Wissen werde nicht mehr so vermittelt wie früher. «Auch wird man gesellschaftlich nicht mehr mit Missachtung bestraft, wenn man kinderlos bleibt bzw. selbst in ländlichen Gebieten, in denen solche Normen noch mehr gelten, halten sich die Strafen, so sozialer Ausschluss, in Grenzen.»
«Der Fortbestand unserer Gesellschaft hat auch einen grossen Wert»
Wenn man einen Babybonus einführt, dann müsste der Betrag viel höher sein. Für die Schweiz beispielsweise ab 50’000 bis 100’000 Franken, schätzt Rost. «Das bezahlt zwar noch kein Kind, aber hätte wahrscheinlich einen gewissen Anreizeffekt als ‹Startbasis›, damit man sich kurzfristig ein schöneres Leben leisten könnte bzw. nicht so stark verzichten müsste.» Eine teure Massnahme. Theoretisch wäre aber noch mehr Geld möglich.
Ein Gedankenspiel soll dabei verdeutlichen, wie viele finanzielle Mittel die Regierung aufbringen könnte, um die Geburtenrate anzuheben. Demografie-Forscher Budliger zu Blick: «Es gibt theoretische ökonomische Rechnungen, nach denen ein Menschenleben mit 10 Millionen US-Dollar Wert beziffert wird. Das wurde einmal berechnet. Da fliesst mit ein, wie viel ein Mensch in seinem Leben verdient, konsumiert und zur Gesellschaft beiträgt. Warum also nicht für 8 Millionen US-Dollar Anreize schaffen? Das könnte bedeuten, dass Familien pro Kind mit 100’000 US-Dollar für jedes Lebensjahr unterstützt werden. Bis das Kind 20 Jahre alt ist.»
Wenn man das über zwei, drei Generationen so macht, könnte das die Geburtenrate wieder über 2 Kinder pro Frau ansteigen lassen. Aber wie soll man das finanzieren? Der Demografie-Forscher: «Der Fortbestand unserer Gesellschaft hat auch einen grossen Wert, vielleicht ist dieser Vorschlag sogar günstiger als die fehlenden Kinder, die fehlenden Arbeitskräfte, die fehlenden Konsumenten und die fehlenden Steuerzahler.»
«Keine wirklich wirkungsvollen Massnahmen bekannt»
Dass die USA die niedrige Geburtenrate schnell in den Griff bekommt, glaubt Rost nicht. Zumindest nicht auf dem einfachen Weg. «Bislang sind keine wirklich wirkungsvollen Massnahmen bekannt, die die Freiheit nicht einschränken.»
Wirkungsvolle Methoden gibt es nur bei gleichzeitiger Bevormundung durch den Staat. Rost gibt ein Beispiel. «In der DDR gab es ein ziemlich wirkungsvolles Instrument: Eine Wohnung bekamen junge Menschen oft erst, wenn diese geheiratet hatten und ein Kind bekamen. Vorher nicht oder nur sehr, sehr schwer. Aber wollen wir dorthin zurück?»
«Niemand fragt nach den langfristigen Konsequenzen»
Möglich wäre auch, die Geburtenrate anzuheben, indem man die Rente mit der Anzahl an Kindern, die man hat, verknüpft. Schliesslich hängt die Rente unmittelbar mit dem Nachwuchs zusammen. Da gäbe es aber sicherlich einen Aufschrei – und zwar zu Recht. «Was ist mit unserer Wahlfreiheit? Und was ist mit Leuten, die Kinder wollen, aber nicht haben können?»
Der Staat hat es also schwer, tatsächlich wirkungsvolle Anreize zu schaffen. Dass es immer weniger Kinder gibt, ist ein Wohlstandsproblem. Und das könne man nicht so schnell ändern. «Es geht uns einfach zu gut, und wir geniessen unsere neuen Freiheiten. Jeder schaut auf sich – niemand auf die langfristigen Konsequenzen für die Gemeinschaft.» Einen wirklichen Wandel wird es geben. Aber nicht, weil wir es als Gesellschaft wollen, sondern müssen. Rost: «Das erledigt sich dann, wenn es uns wieder schlechter geht und wir Opfer unseres Wohlstands werden.»