Sie brausen auf dem Motorrad durch Thailand, schlendern durch Nachtmärkte in Tokio, faulenzen am Pool in der Toskana: Die Eltern des 34-jährigen Andi* aus Grossbritannien geniessen ihren Ruhestand in vollen Zügen – sehr zum Ärger ihres Sohnes. «Meine Boomer-Eltern verprassen mein Erbe auf ihren Luxusreisen», beschwert er sich in der «DailyMail».
Es sei nicht angenehm, das anzuprangern. Aber: Die Pensionäre würden nach dem Motto «YOLO» (You only live once – du lebst nur einmal) leben. Es sei zum Mantra seiner Eltern geworden. «Sie könnten es genauso gut mit Neonlicht im Wohnzimmer anbringen, das sie heutzutage so selten bewohnen.» Nicht immer hatte er sich über ihre Reiselust geärgert. Als sie vor rund fünf Jahren damit begannen, die Welt zu erkunden, bewunderte Andi ihren Mut. Doch irgendwann wurde es ihm zu viel. «Das Problem war, dass es nicht bei einer oder zwei Reisen blieb. Es hörte nicht einmal bei drei oder vier auf», schreibt er.
«Wer ist hier egoistisch?»
Mit 34 Jahren lebt Andi noch zur Miete, nach eigenen Angaben in einer teuren Wohnung. Und er sieht schwarz für seine Zukunft: «Ich weiss, wenn ich irgendwann Eigentum kaufe, werde ich so stark verschuldet sein, dass es keinen Ausweg ohne Hilfe geben wird.» Wie könne er sich jemals irgendwo niederlassen und seinen Eltern Grosskinder schenken, wenn kein Geld mehr vorhanden wäre, um sie aufzuziehen, führt er aus. Und er fragt sich: «Wer ist egoistisch? Wir Jungen, weil wir wollen, dass sie ihr Geld sparen, damit wir es eines Tages erben können? Oder sie, weil sie es so grosszügig für sich selbst verprassen?»
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Mit seinen Gedanken ist Andi nicht allein. Gemäss einer Umfrage der Vermögensberatungsfirma «Moneyfarm» sorgen sich zwei von fünf erwachsenen Kindern in Grossbritannien darum, dass die Eltern ihr ganzes Erbe ausgeben könnten. 40 Prozent der befragten 35- bis 50-Jährigen gaben an, dass sie ein Erbe von ihren Eltern erwarteten.
Auch in seinem Freundeskreis sei das Thema präsent, so Andi weiter. Eine Freundin soll ihm gesagt haben: «Mein Erbe wird derzeit durch einen Strohhalm in einer Kokosnuss in der Karibik getrunken.» Und er fragt sich: Was bleibt am Ende übrig? Bisher erkenne er von seinem Erbe nur eine ständig wachsende Sammlung von Postkarten. (sam)
*Name geändert