Polizeibeamte wurden am Donnerstag zu einem Hochhaus in Ratingen (D) gerufen, da Nachbarn sich um zwei Anwohner sorgten. Eigentlich sollte sie nur nach dem Rechten schauen. Doch als sie eintrafen, wurden sie Opfer einer heftigen Explosion. Die Polizei geht von einem gezielten Tötungsdelikt gegen die Einsatzkräfte aus. Gegen den mutmasslichen Täter wurde ein Haftbefehl wegen versuchten Mordes in neun Fällen erlassen. Die Tat sei heimtückisch gewesen und mit gemeingefährlichen Mitteln verübt worden.
Wie kam es zur Explosion?
Die Polizei wurde von der Verwaltung des Mehrfamilienhauses gerufen, da zwei Anwohner seit mehreren Wochen nicht gesichtet wurden und ihr Briefkasten überquoll. Gegenüber dem «Spiegel» erzählt eine Nachbarin, dass sich die Post stapelte. Zudem meldeten Anwohner laut «Focus» einen Verwesungs- und Brandgeruch.
Um die Tür aufzubrechen, zog die Polizei die Feuerwehr hinzu. Doch als diese versuchte, sich Zutritt zu verschaffen, öffnete der Anwohner plötzlich die Tür. Polizeiführer Dietmar Henning gibt bekannt: «Es ist dabei zu einer Attacke auf die Einsatzkräfte gekommen, indem eine brennbare Flüssigkeit auf die Einsatzkräfte geschleudert worden ist.» Bei der Flüssigkeit handelt es sich um Benzin. Da die Einsatzkräfte anschliessend Feuer fingen, ähnelte das Ereignis einer Explosion. Polizeisprecher Raimund Dockter beschrieb den Vorfall gegenüber «Spiegel» am Donnerstag wie folgt: «Ein Feuerball kam auf die Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr und Polizei zu.»
Was passierte danach?
Nach dem Angriff legte der Mann einen Brand, der es den Einsatzkräften erschwerte, die Wohnung zu betreten. Beamte sahen, wie er mit einer Art Flammenwerfer hantierte und hörten es mehrfach knallen. Vier Stunden dauerte es, bis die Wohnung gestürmt werden konnte. Dabei waren Scharfschützen und Spezialkräfte im Einsatz. Sie konnten den Mann schliesslich trotz Gegenwehr überwältigten. Er wurde mit Atemmaske und Rettungsdecke festgenommen und mit leichten Verletzungen vorübergehend ins Spital gebracht.
Wie viele Opfer gibt es?
Die Zahl der Verletzten liegt bei 31. Zwei Polizeibeamte wurden lebensgefährlich verletzt. Es handelt sich um eine 25-jährige Polizistin und ihren 29-jährigen Kollegen. 22 weitere Polizeipersonen trugen leichte Verletzungen davon.
Ausserdem wurden sieben Feuerwehrkräfte schwer verletzt, drei davon schweben in Lebensgefahr. Die Einsatzkräfte mit lebensbedrohlichen Verletzungen wurden in ein künstliches Koma versetzt, berichtet «Welt».
Ratingens Bürgermeister Klaus Pesch ist besorgt: «Einige Opfer haben schwerste Verbrennungen von bis zu 80 Prozent der Hautfläche.» Zwar flogen Helikopter sie umgehend in Spezialkliniken, doch die Spuren würden bleiben: «Diejenigen, die vorne im Feuer standen, und die das hoffentlich überleben, werden das mit Sicherheit für den Rest ihres Lebens mit sich tragen.»
Wer sind die Toten?
Einsatzkräfte fanden in der Wohnung zudem eine Leiche, bei der es sich mutmasslich um die 92-jährige Mutter des Mannes handelt. Sie lebte ebenfalls in der Wohnung. Wie die Polizei am Freitag mitteilte, war sie seit mehreren Wochen tot. Hinweise auf ein Fremdverschulden gebe es nicht.
Am Freitag meldete dann der «Spiegel», dass eine zweite Leiche in dem Hochhaus entdeckt wurde. Dies gehe aus vertraulichen Dokumenten der Ermittler hervor. Es soll sich um einen pflegebedürftigen älteren Herren handeln, der mutmasslich während des Einsatzes verstorben war. Er soll im zweiten Obergeschoss gewohnt haben und auf eine stündliche Pflege angewiesen gewesen sein. Aufgrund des Einsatzes konnte diese jedoch nicht gewährleistet werden.
Was ist zum Täter bekannt?
Beim verhafteten Mann handelt es sich Berichten zufolge um Frank P.* (57). Gegen ihn soll bereits ein Haftbefehl vorliegen, weil er nach einem Urteil wegen Körperverletzung eine Geldstrafe nicht bezahlte. Kriminaldirektorin Heike Schultz sagte am Freitag, es gebe konkrete Hinweise darauf, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um einen Corona-Leugner handele. Ausserdem sei er der Prepper-Szene zuzuordnen, darauf hätte es verschiedene Hinweise in der Wohnung gegeben. Einer geregelten Arbeit sei er, Schultz nach nicht nachgegangen.
Nachbarn beschreiben P. zudem als zurückhaltend, ruhig und ungepflegt. Er habe sich laut der «Welt» intensiv um seine demente Mutter gekümmert und Kontakt nach aussen vermieden. Ein psychiatrischer Sachverständiger wird den Beschuldigten in der kommenden Woche untersuchen. Von einer Schuldunfähigkeit geht die Staatsanwaltschaft aktuell nicht aus.
War die Tat geplant?
Polizeisprecher Raimund Dockter sagte am Donnerstagabend, es «liegt auf der Hand», dass sich der Täter vorbereitet hatte. Möglicherweise verbarrikadierte er sich mit Absicht in der Wohnung, um die Beamten in eine Falle zu locken. Auch Kriminaldirektorin Heike Schultz gibt am Freitag bekannt, dass im Keller des Täters eine Waffe sowie mehrere Messer und Dolche gefunden wurden – die Tat war möglicherweise durchdacht. Zudem wurde in der Wohnung ein Benzinkanister aufgefunden.
Frank P. werde aktuell dem Haftrichter vorgeführt, verkündete die Staatsanwaltschaft am Freitag. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen der versuchten Tötungsdelikte eingeleitet. Da er auf einen Anwalt verzichtet, erhält er einen Pflichtverteidiger. Bislang schweigt er zur Tat.
*Name bekannt