«Ich habe nicht verhandelt, das war das Seco»
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Keller-Sutter zum Zoll-Hammer:«Ich habe nicht verhandelt, das war das Seco»

Swissmem-Präsident findet Lage «dramatisch»
«Es ist ein rabenschwarzer Tag – mehrere Zehntausend Stellen sind gefährdet»

Die Schweizer Industrie trifft der Zollhammer von 39 Prozent besonders hart. Im Interview spricht Swissmem-Präsident Martin Hirzel über die drohende Entlassungswelle und erklärt, wen es besonders hart trifft.
Publiziert: 02.08.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2025 um 11:57 Uhr
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Martin Hirzel ist Präsident von Swissmem – dem Verband der Schweizer Tech-Industrie.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • 39 Prozent Zollhammer gefährdet Schweizer Exportwirtschaft und Arbeitsplätze
  • KMU ohne Produktion in EU oder USA sind am stärksten betroffen
  • Über 10 Prozent der Firmen erwarten kompletten Wegfall des US-Geschäfts
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Milena KälinRedaktorin Wirtschaft

Blick: 39-Prozent-Zollhammer! Was sind die Folgen für Schweizer Unternehmen?
Martin Hirzel (55): Es ist ein rabenschwarzer Tag für die Exportwirtschaft – mehrere Zehntausend Stellen sind gefährdet. Nicht nur die Maschinenindustrie ist betroffen, auch die Textil- und Medtech-Industrie sowie die Uhrenbranche leiden.

Wen trifft es besonders hart?
Leider sind es die KMU ohne Produktion in der EU oder den USA, die es am härtesten trifft. Denen geht es konjunkturell sowieso schon schlecht. Auch die europäische Industrie wird unter den Zöllen von 15 Prozent leiden – das zieht unsere Industrie indirekt ebenfalls in Mitleidenschaft.

Was war Ihre erste Reaktion, als die 39 Prozent bekannt gegeben wurde?
Nachdem ich am Donnerstagabend erfahren habe, dass kein Deal zustande kam, hatte ich Mühe einzuschlafen. Es hat mich sehr beschäftigt. Am 1. August war ich bereits ab 5:30 Uhr morgens hellwach – und war den ganzen Tag am Telefon, vor allem mit Firmen.

Sind die Firmen vom Swissmem besorgt?
Wir hatten im April bei unseren Unternehmen eine Umfrage zu den angedrohten 31 Prozent Zöllen gemacht. Rund die Hälfte unserer Firmen wären davon mittel bis stark betroffen gewesen. Über 10 Prozent sagten gar, das US-Geschäft würde komplett wegfallen. Und nun sind die Zölle noch höher. Es ist dramatisch.

Es ist für viele Firmen sicher sehr einschneidend, wenn sie sich aus den USA zurückziehen müssen.
Ich rechne gar mit einer Entlassungswelle. Für die Gesamtindustrie ist es kein Genickbruch, aber für einzelne Firmen. Zudem sind die Umsätze der Industrie bereits seit sieben Quartalen rückläufig. Uns geht es also sowieso schon schlecht. Mit dieser Hiobs-Botschaft müssen nun viele Firmen Massnahmen ergreifen.

Die Exportunternehmen haben wegen des starken Frankens ja sowieso schon Mühe.
Mit dem erstarkenden Franken und den Zöllen von 39 Prozent kosten die Schweizer Produkte in den USA 50 Prozent mehr als noch Anfang Jahr. Da muss ein Produkt schon sehr einzigartig sein, damit der Kunde bereit ist, diesen Aufpreis zu zahlen.

Gemäss Ihrer Medienmitteilung vom Freitag ist auch der Wohlstand gefährdet. Wie wirkt sich der Handelsstreit hierzulande aus?
Jeder zweite Franken in der Schweiz wird im Ausland verdient. Das heisst, der Schweiz würde es an Geld fehlen – für die soziale Sicherheit, das Gesundheitswesen und die Infrastruktur. Und Firmen können sich keine Lohnerhöhungen mehr leisten.

Hat der Bundesrat zu wenig getan?
Das glaube ich nicht. Die Gespräche wurden rasch aufgegleist und sind gut gestartet. Bis vor wenigen Wochen kamen vonseiten der USA positive Signale. Aber anscheinend hört der US-Präsident nicht mehr auf seine Minister.

Was sind nun Ihre Forderungen an die Politik?
Erstens ist der Bundesrat gefordert, weiterzuverhandeln. Diese sieben Tage müssen wir nutzen! Zweitens muss man Märkte absichern und neue erschliessen. Die Bilateralen III mit der EU aber auch neue Freihandelsabkommen haben an Bedeutung gewonnen. Drittens muss man dem Standort Schweiz sorge tragen. Es braucht weniger Regulierungen und tiefere Belastungen für die Unternehmen.

Sie haben also noch Hoffnung, dass es bis zum 7. August zu einem Deal kommt?
Ich bin immer optimistisch. Ich will diese 39 Prozent einfach nicht wahrhaben. Ich sage meinen Firmen aber auch, dass sie mit der neuen Welt leben müssen. Die Zölle werden nicht mehr so schnell sinken. Man muss aber mindestens auf die 15 Prozent zurückkommen.

Warum?
Wir dürfen nicht höhere Zölle haben als unsere Hauptkonkurrenten, die EU und Japan. Beide zahlen mit 15 Prozent deutlich tiefere Zölle. Das ist in Kombination mit dem starken Franken und dem Zollhammer existenzbedrohend für unsere Schweizer Firmen.

Haben wir überhaupt noch Handlungsspielraum?
Es wird sehr anspruchsvoll, ein besseres Angebot zu machen. Ich glaube, wir sind sehr grosszügig gewesen in diesen Gesprächen. Deals wie zwischen den USA und Japan sind bei uns aus direktdemokratischen Gründen gar nicht möglich.

Was möchten Sie Donald Trump (79) gerne fragen?
Warum er sich dermassen vor unseren Schweizer Produkten fürchtet, dass sie nur mit solchen Mitteln zu stoppen sind. Ich verstehe einfach nicht, was er von uns will.

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