Darum gehts
Wer kennt es nicht: Am Bahnhof auf dem Nachhauseweg strahlen einem die leuchtend bunten Shirts der jungen Leute, die vor Bannern mit aufgedrucktem Markenlogo stehen, schon von weitem entgegen. Der erste Schreck – Spendenaufruf oder Unterschriftensammler? – vergeht, wenn sie einem mit erwartungsvollem Lächeln ein kleines Pepsi, Kaugummis oder eine Glace entgegenstrecken. Da greift man gern zu.
«Wenns etwas gratis gibt, reissen dir die Leute das Zeug förmlich aus der Hand», sagt Yves Züllig. Der 33-Jährige arbeitet als Promoter, wie die Berufsbezeichnung der Verteiler und Verteilerinnen im Fachjargon heisst. Zuletzt verteilte er kleine Fläschchen eines Getränkeherstellers am Zürcher Hauptbahnhof. An jenem Julitag war es heiss und schwül. «Mir tropfte der Schweiss nur so runter. Es war extrem viel los, zum Feierabendverkehr waren unsere Wägeli alle fünf bis zehn Minuten leer.»
Bis Dezember 2024 war Züllig im Qualitätsmanagement eines Schweizer Grosskonzerns tätig. Nach seiner Kündigung und fünf Monaten auf Reisen musste eine Überbrückung her – bevor sein Kontostand «ein kritisches Level erreicht», wie er sagt. Der Promoterjob bot sich an. Er sei eine gute Möglichkeit, einfach und flexibel Geld zu verdienen, so Züllig.
Sein Fall zeigt exemplarisch: Promoter sind längst nicht nur Studierende. «Deren Zahl ist bei uns sogar rückläufig», sagt Christian Wolfer (47), Geschäftsführer bei der Agentur Promotion-Tools, für die auch Züllig arbeitet. «Wir haben immer mehr Festangestellte mit Teilzeitpensen in unserem Promoter-Pool sowie Selbständige oder Personen in Übergangsphasen», führt Wolfer aus. Das Durchschnittsalter der Promoter liege bei knapp dreissig Jahren.
Mit dem Sparschäler zum Bewerbungsgespräch
Auch der Bewerbungsprozess für diesen Job läuft unkonventionell ab. «Nach einem erfolgreichen Interview wird man in unseren Pool aufgenommen», erklärt Agenturleiter Wolfer. Züllig ergänzt: «Das Bewerbungsgespräch findet nicht einzeln, sondern in Gruppen statt. Jeder muss einen Alltagsgegenstand mitbringen und diesen vor den anderen anpreisen.» Bei ihm war es ein Sparschäler. Bei seiner Arbeitskollegin Ramona B.*, einer Kantischülerin aus Aarau, war es eine Mate-Getränkedose.
Sämtliche Jobaufträge werden dann über die Plattform der Firma abgewickelt. «Promoter werden für einen Einsatz angeschrieben und können ihr Interesse bekunden», so Wolfer. Passt es, gibts eine Zusage. Ein Arbeitsvertrag wird nur für den jeweiligen Einsatz abgeschlossen. Dieser kann einige Stunden oder auch mehrere Wochen dauern.
Haar- und Augenfarbe werden abgefragt
Ausserdem müssen Bewerber ziemlich detailliert Auskunft geben. «Schon bei der ersten Anmeldung musste ich Haar- und Augenfarbe sowie Körper- und Kleidergrösse angeben», erzählt Ramona B.
Ein Job als Promoter ist nicht nur vergleichsweise leicht zu ergattern, er kann sich auch auszahlen. Der Stundenlohn bei Promotion-Tools beträgt mindestens 24 Franken. Wenn spezifische Qualifikationen erforderlich sind, gibts auch mehr. Bei Stewards, einer vergleichbaren Schweizer Agentur, bewegt sich die Lohnspanne zwischen 27 und 40 Franken pro Stunde.
Jobs im Kostüm sind einträglicher
«Sich in ein lächerliches Kostüm zu schmeissen, bringt oft viel mehr Lohn», weiss Züllig von seinen Branchengspändli. Denn: «Das kostet einen auch mehr Überwindung und erfordert mehr körperliche Fitness.» Auch er habe Respekt davor. «Es fühlt sich so an, als wäre das unter meiner Würde», gesteht er.
Für Züllig brauchte es auch Überwindung, sich überhaupt bei einer Promoagentur zu bewerben. «Nach der Arbeit direkt unter dem Kader war das schon ein krasser Kontrast», erzählt der Zürcher. Was er aber besonders schätzt: die Lockerheit. «Im Gegensatz zum Bürojob mit ständigem Druck ist das hier entspannt und fröhlich.»
Aufmüpfige Kinder und Pöbler gehören dazu
Trotzdem hat das Promoterdasein nicht nur Vorteile: «Die Konditionen sind nicht mit einer Festanstellung vergleichbar», sagt Züllig. So gebe es in der Regel keine Pensionskassenbeiträge und oft kein festes Einkommen. Auch mit aufmüpfigen Kindern und pöbelnden Erwachsenen müsse man sich bisweilen herumschlagen.
Kantischülerin B. ist zudem negativ aufgefallen, dass ihr Passanten oft zu nahe treten. «Viele meinen es wohl nicht böse, aber es ist mir unangenehm», sagt sie. «Und wehe, man händigt einigen trotz klarer Anweisung der Chefs kein zweites Produktpröbchen aus», ergänzt sie. «Beleidigte Reaktionen sind garantiert.»
Für beide ist klar: «Mit dem Job kann man sich keine Lebensgrundlage aufbauen.» Kurz hält Züllig inne, dann schiebt er nach: «Für einen flexiblen Nebenverdienst ist er aber top.»
*Name geändert