Adrian Wenger versorgt ganze Berner Gemeinde
Wie ein Schweizer Mini-Stromversorger den Giganten trotzt

Die Gemeinde Brienzwiler im Berner Oberland betreibt eines der kleinsten Stromversorgungsunternehmen der Schweiz. Mit nur 450 Kunden und einer halben Stelle meistert Adrian Wenger die Herausforderungen der Energieversorgung im Dorf.
Publiziert: 12.08.2025 um 10:39 Uhr
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Aktualisiert: 13.08.2025 um 16:32 Uhr
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Adrian Wenger ist der einzige Angestellte der Energieversorgung der Gemeinde Brienzwiler. Das Bild wurde vor dem Eingang zum betriebseigenen Wasserkraftwerk aufgenommen.
Foto: Kim Niederhauser

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Michael Heim
Handelszeitung

Die Medien empfängt Adrian Wenger nicht im Büro, sondern an der frischen Luft. «Kommt zur Chocolaterie auf dem Parkplatz zum Ballenberg-Museum», sagt der Leiter der Energieversorgung der Gemeinde Brienzwiler. Und wichtig: Ballenberg Parkplatz Ost, denn es gibt zwei. Das bekannte Freilichtmuseum im Berner Oberland ist einer der grössten Stromkunden der Gemeinde.

Ansonsten versorgt Brienzwiler vor allem Privathaushalte und kleine Gewerbebetriebe, rund 450 an der Zahl. Mit 2 Millionen Kilowattstunden verkauftem Strom pro Jahr dürfte die Gemeinde einer der kleinsten Versorger der Schweiz sein, der seine Kunden selbst betreut. Gerade mal eine knappe halbe Stelle steht dafür zur Verfügung – besetzt von Adrian Wenger.

Wie ein Mini-Versorger überlebt

Verglichen mit anderen Versorgern ist Brienzwiler ein Winzling. Die Industriellen Werke Basel, bei denen Wenger auch mal gearbeitet hat, verkaufen pro Jahr 1,3 Terawattstunden an ihre eigenen Kunden – 650-mal so viel. Ist so ein Kleinbetrieb nicht wahnsinnig ineffizient in einer Branche, die stark von Fixkosten geprägt ist? Tarifkalkulation, Stromeinkauf, Netzunterhalt.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

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Wer gross ist, hat hier Vorteile. Klein zu sein, gilt als Nachteil. Im nationalen Vergleich fällt Brienzwiler mit leicht überdurchschnittlichen Stromkosten auf, vor allem bei Netzbetrieb und Abgaben. Das habe aber vor allem mit der Topografie und der Struktur des Versorgungsgebiets und weniger mit der Grösse des Betriebs zu tun, sagt Wenger. Ja, ein kleiner Betrieb habe sicher höhere Fixkosten pro Kunde. Gleichzeitig könne er als Einmannbetrieb aber auch viel schneller und flexibler handeln. «Die Wege bei uns im Dorf sind kurz.»

Die Nähe bezeichnet Wenger als grössten Vorteil. Er kennt die Kundschaft, und alle kennen ihn. Die meisten sind in der Grundversorgung und damit ans Monopol der Gemeinde gebunden. «Auch die paar, die frei beschaffen könnten, sind bei uns», sagt Wenger.

Er ist im Ort aufgewachsen, zog dann für die Arbeit weg und arbeitete bei grossen Versorgern in der Nordwestschweiz, bevor er wieder ins Berner Oberland zurückkehrte und den Betrieb übernahm. Diesen kannte er, weil schon sein Vater das Gemeindewerk leitete.

In Brienzwiler läuft einiges anders. Die Stromversorgung ist Teil der Verwaltung. Gleichzeitig führt Wenger auch einen privaten Energietechnikbetrieb. Im Rahmen eines festen Mandats könne dieser ergänzend hinzugezogen werden und zusätzliche Aufträge übernehmen, erklärt Wenger. Und er betont: Jeder dieser Aufträge werde vom Gemeinderat überwacht und bewilligt. Grossaufträge würden zudem normal ausgeschrieben. Und für die Stelle bei der Gemeinde habe er sich normal bewerben müssen.

Eigenes Wasserkraftwerk liefert die Hälfte des Stroms

Natürlich lässt sich so ein Netz nicht autonom mit einer 40-Prozent-Stelle betreiben. Vieles ist ausgelagert, etwa die Tarifberechnung zuhanden der Aufsichtsbehörden. Beim Netzbetrieb arbeite die Gemeinde eng mit dem vorgelagerten Netz der bernischen BKW zusammen.

In der Strombeschaffung sei man zwar frei, betont Wenger. Derzeit stamme der Strom jedoch hauptsächlich von einem Lieferanten, dessen Namen er nicht nennen will. Es dürfte ebenfalls die BKW sein.

Liefert rund die Hälfte des verkauften Stroms: Das Wasserkraftwerk Trigli.
Foto: Kim Niederhauser

Eingekauft wird aber nur ein Teil des Stroms. Seit rund 35 Jahren gibt es im Dorf ein kleines Wasserkraftwerk, das mengenmässig etwa die Hälfte des verbrauchten Stroms produziert. Die Hälfte der Produktion könne die Gemeinde direkt vermarkten, die andere Hälfte werde im Rahmen der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) übernommen.

Dazu kommt Solarstrom von den Dächern. Und diesen gilt das Gemeindewerk mit einer grosszügigen Einspeisevergütung ab: Im Jahr 2025 erhalten die Hausbesitzer 14 Rappen pro Kilowattstunde, nur 2 Rappen weniger als das, was Brienzwiler der Kundschaft verrechnet. Die Preise hätten sich bislang an den eigenen Beschaffungskosten der Gemeinde orientiert, erklärt Wenger. Somit seien diese nur fair.

Allerdings ändert sich das nun, weil ab 2026 neue Regeln gelten, die sich stärker an den Preisen der Strombörse orientieren. Und die sind deutlich tiefer. Bei den Hausbesitzern hat das wenig Freude ausgelöst. Wenger musste erklären, warum die Preise sinken.

Personaldecke als Problem

Als grössten Nachteil der kleinen Dorfversorgung sieht Wenger die dünne Personaldecke. Mit nur einem Angestellten sei man schneller auf Hilfe von aussen angewiesen. Das gilt besonders dann, wenn etwas Aussergewöhnliches ansteht. «Wir können unseren Auftrag gesetzeskonform umsetzen», betont Wenger. «Aber man muss sich schon anders organisieren als in einem Elektrizitätswerk mit dreihundert Angestellten.»

Die Zusammenlegung des Netzes mit einer Nachbargemeinde oder die volle Auslagerung des Betriebs seien schon diskutiert worden. Aber bislang habe sich die Gemeinde immer dagegen entschieden. Ihn fasziniere die Aufgabe. «Das Spannende ist, dass wir eine hundert Jahre alte Technologie haben, die sich mit der Innovation von heute kombinieren lässt.»

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