Darum gehts
- Musetti trifft eine Linienrichterin und kommt mit Verwarnung davon
- Im Netz wurde danach seine Disqualifikation gefordert
- 2020 wurde Djokovic bei US Open für ähnlichen Vorfall disqualifiziert
Die Szene dürfte noch länger für Diskussionen sorgen: Lorenzo Musetti kickt während seines Viertelfinal-Sieges gegen Frances Tiafoe frustriert einen Ball weg – und trifft mit dem missratenen Schuss eine Linienrichterin im Brust- respektive Halsbereich. Der Italiener entschuldigt sich sofort und wird vom Schiedsrichter verwarnt.
Nur verwarnt, denkt sich mancher Tennis-Fan im Internet und erinnert an eine Szene mit Novak Djokovic an den US Open 2020. Der Serbe traf die Linienrichterin damals ebenfalls unabsichtlich – er hatte allerdings mit dem Schläger gegen den Ball gehauen – und wurde danach für seine Frust-Aktion disqualifiziert. Musetti kommt am Dienstag aber mit einer Verwarnung davon, was auf den sozialen Medien auf viel Unverständnis stösst.
«Nicht konsequent», findet die Verwarnung auch Musettis Gegner Tiafoe. «Er hat das getan und nichts ist passiert. Das ist skurril», kritisiert der Amerikaner an der Pressekonferenz nach Spielende. Musetti sieht das selbstredend anders. «Es war wirklich ein unglücklicher Zufall. Die Verwarnung war richtig. Ich denke, der Schiedsrichter hat gesehen, dass es keine Absicht war und mich deshalb weiterspielen lassen.»
Disqualifikation laut Regelbuch möglich
Das sehen auch verschiedene Tennis-Experten so. «Die Verwarnung ist richtig», findet beispielsweise Boris Becker (57) bei «Eurosport» und fügt an: «Du kannst doch Musetti wegen sowas nicht disqualifizieren. Das kannst du nicht mit Djokovic vergleichen.»
Für Tim Henman (50), der 1995 in Wimbledon für eine ähnliche Szene wie Djokovic an den US Open disqualifiziert worden war, hat Musetti bei seiner Verwarnung viel Glück gehabt. «Nach dem Regelbuch kann es eine Disqualifikation geben, wenn man aus Frust einen Ball wegschlägt oder -tritt und dieser dabei einen Balljungen, Linienrichter oder Schiedsrichter trifft», erklärt der Brite gegenüber TNT-Sports.
Dass Musetti «technisch gesehen» hätte disqualifizieren können, sieht auch Jim Courier (54) ein, betont aber die Bedeutung von Fingerspitzengefühl bei solchen Vorfällen. Klarer formuliert es Boris Becker – und fügt bezüglich der Disqualifikationsforderung im Netz an: «Das Internet muss sich auch mal wieder beruhigen. Die wollen alle päpstlicher sein als der Papst. Aber man muss mal die Kirche im Dorf lassen. Das war eine Verwarnung, aber längst kein Platzverweis.»