«Jetzt kann uns keiner auf den Kopf hauen»
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Thun-Präsident Andres Gerber:«Jetzt kann uns keiner auf den Kopf hauen»

«Waren kaputt und am Boden»
Was Thun-Boss Gerber für den Aufstieg durchmachen musste

Es ist gar nicht lange her, da gab es Existenzängste um den FC Thun. In zweieinhalb Monaten laufen die Berner Oberländer wieder auf Super-League-Plätzen auf. Das wird Präsident Andres Gerber (52) noch lange berühren.
Publiziert: 04.05.2025 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2025 um 12:14 Uhr
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Knochenarbeit belohnt: Andres Gerber bei der Aufstiegsdusche.
Foto: Claudio de Capitani/freshfocus

Darum gehts

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Simon StrimerReporter & Redaktor Sport

Als alle Dämme brechen, fängt die Hektik für Thun-Präsident Andres Gerber (52) erst an. Alle wollen etwas von ihm. Und er will alle «knuddeln», wie er mehrmals sagt. Den Sportchef und Trainer hat er schon erwischt, seinen Sohn auch. Sicher auch unzählige Fans. Die Spieler sowieso. Und dann kommt auf dem Feld der Stockhorn Arena, wo sein Klub am Freitagabend hollywoodreif die Rückkehr in die Super League bewerkstelligt und nun die Menschenmenge feiert, auch noch ein Interviewmarathon dazu.

Den Schnauf, den Gerber nach der Erlösung für alle Begegnungen braucht, ist jedoch nichts gegen den, den er in den letzten Jahren hier an den Tag legte. Kaum einer kennt den FC Thun besser als er, der schon in der Thun-Führung tätig war, als es die Stockhorn-Arena gar noch nicht gab (Eröffnung 2011). Bei kaum jemandem wird der Aufstieg eine grössere Genugtuung auslösen als beim Präsidenten, der schon als Spieler bei Thun war und die Höhen und Tiefen der letzten Jahrzehnte hautnah miterlebte. Die Höhen waren märchenhaft, die Tiefen einschneidend bis aufs Blut.

Ob er nach all den Begegnungen auf dem Platz nochmals Zeit für ein Interview habe, will Blick von ihm auf dem Feld wissen. «Ja klar, ich könnte heute noch die ganze Nacht sprechen», entgegnet er. Die Erlösung spricht aus ihm heraus.

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Bevor er sich mehr als acht Minuten Zeit für das Gespräch nimmt, geht Gerber aber nochmals weg, «knuddelt» eine Zuschauerin, die ihm am Spielfeldrand hinter der Bande zuwinkt. Dann kommt er zurück vor die Kamera. Und legt los.

«Wir waren kaputt und am Boden»

«Es ist wie ein Kreis, der sich nach fünf Jahren schliesst. Hier, wo es so traurig und deprimierend war.» Gerber spricht den bitteren Abstieg an, den er 2020 in diesem Stadion gegen Vaduz erlebte. Ausgerechnet in der eh schon pickelharten Corona-Zeit. Dann ging Präsident Markus Lüthi (45), der Thun jahrelang wie ein Kapitän führte. Der FC Thun stand vor einem Scherbenhaufen. Gerber, damals Sportchef, übernahm das Präsidium. Und wusste wohl noch nicht, wie hart die Jahre würden, die vor ihm standen. «Diese Freude jetzt ist fast wie ein Trauma, das sich auflöst», lässt er nun tief blicken.

Er erläutert: «Diese fünf Jahre waren so speziell. Als wir abgestiegen sind, waren wir kaputt und am Boden. Wirtschaftlich noch mehr als auf dem Platz. Wir mussten aufstehen, stark sein und dran glauben. Wir sind aufgestanden, zweimal in der Barrage gescheitert. Das war auch hart, vor allem letztes Jahr. Aber wir sind nochmals aufgestanden.» Immer wieder musste Gerber Realist sein und gleichzeitig Zuversicht verbreiten. Es habe viele Nächte gegeben, in denen er gar nicht gut geschlafen habe, erzählte er Blick auch schon.

«Ein Engel? Kann man sagen»

Und so lange war es gar nicht her, als Thun das letzte Mal haarscharf am Konkurs vorbeischrammte. Nur gut ein Jahr. «Wir haben das Messer wirtschaftlich am Hals», sprach er ein paar Monate davor Klartext. Dann kamen Wochen und Monate grösster Unsicherheit. Die Lizenz und das Überleben waren akut in Gefahr. Muss man den Klub zur Not ausländischen Geldgebern verkaufen? Macht alles noch Sinn? Zum wiederholten Mal hatte man trotz aller Bemühungen einen Millionenverlust eingefahren. Und dann kam Beat Fahrni.

Ein Engel? «Retter, Engel, ja, das kann man sagen», sagt Gerber. Fahrni, der umtriebige Unternehmer aus der Region mit einem riesigen Netzwerk im Schweizer Sport, kaufte sich ein, investierte in mehreren Runden schon Millionen, krempelt den FC Thun um – auch mit harten Entscheiden. «Ich habe ihn nach dem Schlusspfiff noch nicht gesehen, aber will ihn unbedingt noch umarmen und mag es auch ihm von Herzen gönnen», strahlt Gerber.

Das sagt Gerber zu seiner Zukunft als Präsi

Gut möglich, dass Thun weiterhin auf Finanzspritzen angewiesen sein wird, denn wie die meisten Schweizer Profiklubs lebt der Klub mit einem praktisch unüberwindbaren strukturellen Defizit. Dieses ist nach vielen Umstrukturierungen immerhin etwas kleiner geworden. Und mit Fahrni, weiteren neuen regionalen Grossaktionären im Hintergrund und als Super-League-Klub sieht die Welt viel rosiger aus.

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Da bleibt aber noch eine Frage: Bleibt Andres Gerber weiterhin auf Unbestimmt Präsident? «Das kann ich nicht mal sagen. Das ist für mich nicht so wichtig. Ich war ja schon fast in jeder Funktion beim FC Thun und denke schon, dass ich zum FC Thun gehöre. In welcher Funktion auch immer. Ich kann auch noch 20 Jahre Präsident sein. Aber schlussendlich müssen mich Aktionäre wählen. Ich will einfach dabei sein, dran sein, mein Herz und Know-how eingeben können. Und so lange ich merke, dass etwa gleich viel zurückkommt, wie ich reingebe, macht es Spass und auch Sinn. Dann werden wir sehen, wie sich das alles entwickelt.»

Gerber stand als Spieler mit Thun in der Champions League, wurde Vizemeister und stieg ab. Als Sportchef erlebte er Europa-League-Nächte, einen Cupfinal, den Abstieg. Als Präsident die Zeiten, als alles an einem seidenen Faden hing – und nun den Aufstieg. Er ist ein Präsident, der mit allen Wassern gewaschen ist. Und nun erstmals ein Super-League-Präsident.

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33
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33
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