Darum gehts
Als Karl Egloff 15 Jahre alt war, verlor er seine Mutter an den Krebs. Bevor sie starb, sagte sie zu ihm: «Dich kann niemand stoppen, Karl. Es wird dich immer in die Berge ziehen.» Und sie gab ihm einen Auftrag: «Pass gut auf dich auf.»
Ihre Worte klingen nach. Letzten Frühling versuchte Egloff am Mount Everest, einen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen. Ohne Sauerstoff und so schnell wie noch kein Bergsteiger vor ihm. Doch der Wind war stark, die Bedingungen schlecht. Obwohl er schon auf 7000 Meter über Meer war, brach Egloff ab. Er drehte um, gab auf und kehrte ohne Rekord zu seiner Familie zurück.
Doch von Anfang an: Die Egloffs, das sind Karl (44), Adriana (43), Julian (8), und Martina (3). Vor einem Jahr sind sie von Quito (2850 m ü. M.) nach Höri ZH (428 m ü. M.) gezogen. Kommt Julian aus der Schule, schaut auch Mutter Adriana in seine Hefte. «Ich möchte besser Deutsch lernen», sagt die Ecuadorianerin lachend. Dabei spricht sie es bereits fliessend. Karl wuchs ebenfalls in Ecuador auf, seine Mutter war eine Einheimische, sein Vater ein Schreiner und Bergführer aus dem Toggenburg SG, weshalb er akzentfrei Schweizerdeutsch spricht. Sein Vater war es auch, der ihn oft auf den Hausberg Cotopaxi (5897 m ü. M.) mitnahm: «Irgendwann überholte ich ihn», so Egloff.
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Sieben Gipfel erobern
Das Überholen hat er zum Beruf gemacht. Während andere wandern, spazieren oder schlendern, rennt Karl Egloff die Berge hoch. Warum? «Ehrgeizig war ich schon immer», erzählt Egloff bei einem Kaffee in seiner Stube. Hinter ihm hängt eine Reliefkarte der Schweiz an der Wand. Als Teenager träumte er von einer Fussballkarriere. Als Marathon-Mountainbiker fuhr er acht Jahre lang international ganz vorne mit. Und als Bergführer begleitete er Touristen auf den Kilimandscharo. Während die sich danach in der Unterkunft ausruhten, joggte er «alleine noch mal schnell auf den Gipfel». Wie bitte? Egloff lacht. Damit war der Anfang gemacht, denn Egloff realisierte, dass er aus diesem Zeitvertreib eine Karriere machen kann.
Und was für eine: Im Speed-Climbing gehört Egloff zur Weltspitze. Aktuell konzentriert er sich auf die Seven Summits. Schafft er es, die höchsten Berge aller sieben Kontinente am schnellsten zu erklimmen – ohne Sauerstoff? In Nordamerika, Südamerika, Afrika und Europa ist er bereits Rekordhalter. Nun hätte der Mount Everest der fünfte Gipfel werden sollen.
Auf der Suche nach Wander-Inspiration? Mit 26 Summits, einer Kampagne von Blick, kannst du auf 26 traumhaften Wanderwegen und einer Triathlon-Challenge mit sechs zusätzlichen Routen die Schweiz zu Fuss erkunden. Für jeden Gipfel, den du erreichst, sammelst du Punkte, steigst in der Rangliste auf und sicherst dir die Chance auf attraktive Wettbewerbspreise. Bist du dabei?
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Drei Monate lang war Egloff von seiner Familie getrennt. Eine Fernseh-Crew begleitete ihn und seinen Konkurrenten, den US-Amerikaner Tyler Andrews. Die Spannung um das Duell im Himalaja stieg, der Druck auch. «Das machte mir am meisten Angst», sagt Adriana. «Plötzlich waren so viele Leute involviert.» – «Ein Duell am Berg mache ich nicht noch mal», sagt Egloff. «Mein oberstes Ziel war nie der Gipfel, sondern die sichere Rückkehr zu meiner Familie.» Julian ist froh, dass sein Vater wieder zu Hause ist. «Ich habe ihn mega vermisst», sagt er. «Papi, spielst du nachher Fussball mit mir?» Karl Egloff weiss, dass ihn viele für einen «Spinner» halten. «Ja, ich renne die Berge hoch – aber nicht kopflos», betont er. Seine Vorbereitung ist akribisch, seine körperliche Verfassung ausserordentlich. Egloffs Herz ist so trainiert, dass es pro Minute nur 36-mal schlagen muss. Bei Nichtsportlern ist der Ruhepuls fast doppelt so hoch. Ausserdem hatte er am Mount Everest eine Begleitperson mit Sauerstoff dabei – für den Notfall. «Ich mag es, am Berg alles unter Kontrolle zu haben.»
Ein Albtraum in den Ferien
Vor drei Jahren erfuhren Egloff und seine Familie das Gegenteil. Während eines Urlaubs, wenige Stunden von ihrem Zuhause in Quito entfernt, wurden sie in ihrer Ferienwohnung überfallen und zu ohnmächtigen Geiseln. Etwa 30 maskierte Männer schossen auf die Fensterscheiben und bedrohten die Familie, auch die beiden kleinen Kinder. «Das Schwierigste, was ich je erlebt habe», sagt Egloff, den Blick nach innen gerichtet. Er wurde von den Einbrechern mitgenommen und erpresst. «Die etwa 1000 Franken Bargeld, die ich hatte, haben mich wohl gerettet.» Die Räuber zogen ab, Egloff konnte seine Fesseln mit einem Küchenmesser lösen und zurück zu seiner Frau und seinen Kindern gehen. Nach dreieinhalb Stunden Albtraum schlossen sich die vier in die Arme. «Wir dachten, dass wir uns nie wieder sehen. Ich hatte brutal Angst», sagt Egloff.
Nach diesem Erlebnis fühlte sich die Familie in Ecuador nicht mehr sicher. Julian schlief nur noch im Bett der Eltern. Und sagte nach einem Besuch in der Schweiz: «Ich möchte lieber hier wohnen.» Also suchten die Egloffs nach einem Zuhause in der Schweiz und zogen im Sommer 2024 um. «Jetzt können meine Kinder alleine beim Beck ein Brot holen», sagt Karl Egloff. Er selbst war nach dem Überfall depressiv geworden. «Ich konnte nicht mehr in der freien Natur trainieren aus Angst, entführt zu werden.» Doch als TV-Journalisten ihm vorschlugen, eine Dokumentation über ihn und seinen Konkurrenten Tyler Andrews zu drehen, kam er wieder in Fahrt.
«Endlich sahen meine Kinder mich wieder in meinem Element. Ich möchte, dass sie stolz auf mich sind.» Und so ist trotz des gescheiterten Everest-Versuchs noch nicht Schluss. In Absprache mit Adriana hat Karl Egloff entschieden, mit dem Seven-Summits-Projekt weiterzumachen. Es fehlen ihm noch der Mount Vinson (Antarktis), die Carstensz-Pyramide (Ozeanien) und eben der Everest. «Zwei bis drei Jahre habe ich noch Zeit, danach bin ich zu alt», sagt er schmunzelnd. Ausser den drei fehlenden Gipfeln hat er aber noch ein viertes Ziel: den Zeitpunkt fürs Aufhören nicht zu verpassen. «Das schaffe ich», sagt Egloff, denn er freue sich auf sein Leben danach. «In der Schweiz fühle ich mich so sicher und frei wie sonst nur am Berg.»