Darum gehts
Pascal D.** (40) habe seine Ex-Frau vernichten wollen. So beschreibt es der Staatsanwalt vor Gericht. Mit blossen Händen prügelte er auf sie ein – selbst, als sie bereits am Boden lag. Ivonne R.s Leben – ausgelöscht. Ihr Gesicht, mit grossen braunen Augen und vollen Lippen – zertrümmert. Doch Pascal D. will noch mehr vernichten.
Während der Verhandlung am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Bülach ZH stellt der Angeklagte Ivonne R. als Rabenmutter dar. Er behauptet: «Einmal erzählte mir Frau R., sie bereue es, Celeste** zur Welt gebracht zu haben.»
Seine Tochter sei von Besuchen bei der Mutter jeweils verstört nach Hause gekommen. Ivonne R.* habe mit Celeste Horrorfilme geschaut und Kriegsspiele gespielt. «Meine Tochter entwickelte eine Angst vor Frauen», so Pascal D.
«Sie hat mich jahrelang betrogen»
Pascal D. macht diese Aussagen, ohne mit der Wimper zu zucken. Er weiss: Ivonne R. kann ihm nicht mehr widersprechen. Sie hat auch keine Angehörigen in der Schweiz, die für sie einstehen könnten. Allein die Anwältin von Tochter Celeste hält dagegen: «Die Aussagen des Beschuldigten entsprechen nicht den gesammelten Akten.»
Wer Ivonne R. als Mensch war, was sie ausmachte – davon erfahren wir am Prozess nichts. Ihre Mutter Patricia P.* schilderte sie gegenüber Blick als kämpferisch, humorvoll und liebevoll gegenüber ihrer Tochter.
Doch vor Gericht hören wir nur die Version des Täters Pascal D. «Sie hat mich jahrelang betrogen», erklärt dieser. «Das hat mir den Boden weggezogen.» Verteidigerin Claudia Kolb setzt noch einen obendrauf – und wirft Ivonne R. Prostitution vor: «Sie hat mit mehreren Männern geschlafen. Auch für Geld.»
«Hat mein Leben zerstört»
Die Polizei hat beim Angeklagten handgeschriebene Notizen unter dem Titel «Projekt Mayhem» gefunden. Mayhem heisst auf Englisch Chaos. Darin beschrieb Pascal D., wie er seine Ex-Frau loswerden will. «Das Arschloch, das mein Leben zerstört hat», nannte er sie. Er plante, sie bei ihrem Arbeitgeber und den Freunden schlecht zu machen. Ausserdem wollte er sie beim Migrationsamt anschwärzen und erreichen, dass Ivonne R. ausgewiesen wird.
Patricia P. erzählte Blick, wie sehr ihre Tochter darunter gelitten hat: «Er tauchte bei ihrer Arbeit auf. Sie hat sich nirgendwo mehr sicher gefühlt.»
Pascal D. sieht sich indes selbst als Opfer. In den Monaten vor der Tat seien frühere Traumata hochgekommen. Die Betreuung seiner Tochter, die Arbeit, hätten ihn überfordert. «Ich habe überall Hilfe gesucht», beteuert er. «Doch niemand hat mich ernst genommen.»
Kein «qualvoller» Tod
Vor Gericht gibt der Beschuldigte zu, Ivonne R. am 1. Oktober 2023 getötet zu haben. Die Tat ist demnach unbestritten. Staatsanwalt Michael Scherrer spricht in seinem Plädoyer von «bestürzender Brutalität». Pascal D. habe ein «Blutbad» angerichtet. Er habe nicht von Ivonne R. abgelassen, als diese schon wehrlos am Boden lag. «Sie muss unter schlimmsten Schmerzen gelitten haben», sagt Scherrer.
Pascal D.s Verteidigung gibt indes dem Opfer eine Mitschuld. Ivonne R. habe ihren Ex-Mann provoziert, sei mit einer Gabel auf ihn losgegangen. «Er hat sie ins Gesicht geschlagen, um sie zu stoppen», so Anwältin Kolb. Die Frau habe ihn «angegangen» und mit den Fingernägeln verletzt. Ihr Mandant habe R. nicht etwa zu Boden gestossen. Viel mehr sei sie selbst gestürzt.
Gleichzeitig räumt die Verteidigerin ein, Pascal D. habe fest zugeschlagen. Seine Ex-Frau habe entsprechend schnell das Bewusstsein verloren. Ihr Tod sei demnach «nicht qualvoll» gewesen.
Pascal D. verliess den Tatort, setzte sich blutbespritzt zu seiner Tochter ins Auto und sagte: «Ich habe gerade deine Mama getötet.»
Gericht verurteilt Pascal D.
Die Argumentation der Verteidigung stösst im Gerichtssaal hörbar auf Unverständnis – zumindest unter den Zuschauern. Ivonne R., dargestellt als Provokateurin, die ihren psychisch angeschlagenen Ex-Mann mit einer Gabel bedroht habe. Die zwar zu Tode geprügelt, aber nicht qualvoll gestorben sei.
Das Gericht sieht den Straftatbestand des Mordes nicht erfüllt und spricht Pascal D. wegen vorsätzlicher Tötung schuldig. Er wird zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.
Doch Ivonne R.s Seite, ihre Geschichte, werden wir nie hören. Sie ist mit nur 30 Jahren gestorben. Das Letzte, was sie in ihrem Leben gesehen hat, waren die Fäuste ihres Ex-Mannes.
*Name bekannt
**Name geändert