Darum gehts
- Brian Keller vor Gericht wegen Attacke auf Giorgio L.
- Staatsanwalt lobt Brians Fortschritte, Opferanwältin fordert härtere Strafe
- Giorgio L. erlitt Brüche und hat nun eine Metallplatte im Gesicht
- Das Gericht verurteilt Brian zu einer Gefängnisstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten
Staatsanwalt Ulrich Krättli sitzt am Prozess gegen Brian Keller (29) zwischen den Stühlen. Zu nachsichtig, findet die Anwältin der Opferseite. Zu pessimistisch, meint die Verteidigung.
Dabei hatte sich Krättli in seinem Plädoyer auffallend versöhnlich gezeigt. Er schilderte Brians Attacke auf Giorgio L.* (33) alias Skorp808 ausführlich, erkannte dessen schlimme Verletzungen an. Gleichzeitig erwähnte er die Fortschritte, die der Beschuldigte in den letzten Monaten gemacht hat, sprach ihm gar ein Lob aus. «Herr Keller hat Hilfe angenommen», so Krättli. «Für ihn ist das durchaus eine grosse Errungenschaft.»
Brian selbst hat sich vom Prozess dispensieren lassen. Angeklagt ist er wegen versuchter schwerer Körperverletzung und öffentlicher Aufforderung zur Gewalttätigkeit. Vergangenes Jahr hatten er und das Opfer auf Tiktok wüste Provokationen ausgetauscht. «Ich will seinen Kopf. Ich will ihn leiden sehen», sagte Brian etwa.
«Brian ist kein Mafiaboss»
Sein Verteidiger spricht von einer reinen Show. «Brian ist kein Mafiaboss», sagt Thomas Häusermann vor Gericht. «Er kann keine Köpfe fordern.» Sein Mandant habe sich schlicht dem «Gefängnis-Slang» bedient, weil er nach acht Jahren Haft keine andere Sprache kenne.
Die Staatsanwaltschaft versteht die Äusserungen hingegen als Gewaltaufruf. Giorgio L.s Anwältin Salina Werffeli geht das zu wenig weit. Brian habe konkrete Drohungen ausgesprochen: «Mein Mandant hat unter der wachsenden Bedrohung gelitten.»
Uneinig sind sich die Parteien auch beim Hauptvorwurf: der Attacke am 2. Mai 2024. Auf einem Video ist zu sehen, wie Brian auf Giorgio L. losgeht, ihm ins Gesicht schlägt. L. stürzt zu Boden, Brian schlägt weiter auf ihn ein. Wo er sein Opfer nach diesem ersten Schlag ins Gesicht trifft, ist auf dem Video schwer erkennbar. Und genau das ist nun der Streitpunkt.
Die Staatsanwaltschaft und Opferseite gehen von weiteren Schlägen gegen den Kopf aus. Giorgio L.s Anwältin kritisiert, dass es sich hier nicht um eine versuchte schwere Körperverletzung handle, wie in der Anklage beschrieben. Viel mehr gehe es um eine tatsächliche schwere Körperverletzung, so Werffeli.
Brian kassiert Gefängnisstrafe
Verteidiger Häusermann hingegen plädiert auf eine einfache Körperverletzung, da die Schläge am Boden lediglich L.s Oberkörper getroffen hätten.
Giorgio L. erlitt Brüche am Jochbein, Verletzungen an der Augenhöhle und dem Kiefer. Ihm musste eine Metallplatte ins Gesicht eingesetzt werden.
Das Gericht spricht Brian schliesslich in beiden Anklagepunkten schuldig, verurteilt ihn zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten. Damit unterschreitet es die Forderung der Staatsanwaltschaft um 7 Monate.
Zwei weitere Verfahren vor Obergericht
Doch vorerst muss der 29-jährige Amateur-Boxer nicht hinter Gitter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Er muss sich aber weiterhin an seine Auflagen halten: das Coaching mit dem Sozialarbeiter besuchen, die sozialen Medien nur eingeschränkt nutzen.
Brians Anwalt wird wohl Berufung einlegen. Damit rechnet auch das Obergericht Zürich, wo aktuell noch zwei ältere Verfahren gegen ihn hängig sind: Bei beiden geht es um Gewaltstraftaten, die Brian während seiner acht Jahre im Gefängnis begangen haben soll.
Möglich wäre, dass das Obergericht bei einem Weiterzug des jetzigen Urteils die drei Fälle zusammen behandeln will. Einen solchen Entscheid kann es aber frühestens nach Ablauf der 30-tägigen Berufungsfrist fällen.
* Name bekannt