Schweizer Kinder-Hilfswerk-Projekt wegen Trump vor Aus
«Wir brauchen sofort zwei Millionen Franken – bitte!»

In Bangladesch leben über eine Million Flüchtlinge – im grössten Lager der Welt. Donald Trumps Politik trifft sie hart. Nun ruft ein Schweizer Hilfswerk um Hilfe.
Publiziert: 09.08.2025 um 14:09 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2025 um 15:38 Uhr
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1,3 Millionen Flüchtlinge leben hier – im grössten Flüchtlingslager der Welt.
Foto: imago/ZUMA Press

Darum gehts

  • Grösstes Flüchtlingslager der Welt in Bangladesch von US-Hilfskürzungen betroffen
  • 1,3 Millionen Rohingya-Flüchtlinge leben seit acht Jahren in Camps
  • Hilfswerk Terre des hommes Lausanne benötigt zwei Millionen Franken, um Gesundheitszentren aufrechterhalten zu können
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Robin BäniRedaktor

America First. Zwei Worte – ein Dogma. In Washington lässt sich das gut verkaufen. Doch am anderen Ende der Welt hat es verheerende Folgen. Neben der Stadt Cox’s Bazar, im Süden von Bangladesch, unweit der Grenze zu Myanmar, harren 1,3 Millionen Menschen aus. Es sind Rohingya-Flüchtlinge, über die kaum noch jemand spricht. In den krisengeschüttelten Zeiten gehen sie unter. Dabei zählen Rohingya zu den am stärksten verfolgten Minderheiten der Welt. Und gerade droht ihnen ein weiterer Schicksalsschlag.

«So etwas habe ich noch nie erlebt», sagt Martin Swinchatt (60), ein Entwicklungshelfer, der seit 35 Jahren für Nichtregierungsorganisationen (NGO) arbeitet. «Es ist schockierend – wirklich – es ist schockierend.» Derzeit leitet er in Bangladesch Projekte für Terre des hommes Lausanne (Tdh), die grösste Schweizer Kinderrechtsorganisation. Sein Team betreibt zwei moderne Gesundheitszentren in den Camps 26 und 27. Jeden Tag versorgen sie 700 Patientinnen und Patienten.

Die Mitarbeitenden von Swinchatt sorgen auch für sauberes Trinkwasser. Sie verteilen 130'000 Liter – täglich – über ihr Pumpsystem. Sie warten die Latrinen im Lager, entsorgen Exkremente, verhindern den Ausbruch von Seuchen. Sie halten das System am Laufen. Noch. Denn das Geld neigt sich dem Ende zu. Trump hat die US-Entwicklungshilfe zusammengestrichen, unmittelbar nach seiner Rückkehr ins Weisse Haus. America First.

Komplett abhängig von Hilfe

Die Rohingya leben seit acht Jahren in den Lagern von Cox’s Bazar. Sie sind geflohen, aus dem Nachbarland Myanmar. Die dortige Militärjunta begeht eine «ethnische Säuberung» an ihnen, so beschreibt es das Uno-Menschenrechtsbüro. In Bangladesch angekommen, dürfen die Rohingya aber nicht arbeiten, nicht einmal das Lager verlassen. Die dortigen Behörden verbieten es. Die Rohingya sind komplett von humanitärer Hilfe abhängig.

Doch diese Hilfe ist nicht mehr garantiert. Um das gesamte Camp-System zu betreiben, braucht es laut dem Programm des «Rohingya Refugee Response»-Teams 934,5 Millionen Dollar pro Jahr. Anfang August waren aber erst 35 Prozent gedeckt. Mehreren Hilfsprojekten droht der Kollaps, darunter jenen von Terre des hommes. Seit Februar musste Swinchatt bereits 61 Angestellte im Gesundheitsbereich entlassen. Jetzt hat er noch 99 Mitarbeitende. Bald könnten es null sein.

Sein bisheriger Hauptsponsor – das US-amerikanische Bureau of Population, Refugees and Migration (BPRM) – hat Anfang Jahr sämtliche Gelder eingefroren. Dann gab die Trump-Administration einen Teil davon wieder frei, allerdings nur für «lebensrettende Massnahmen». Swinchatt musste Abteilungen wie Augenheilkunde, Dermatologie oder Zahnmedizin schliessen. Weitere Kündigungen stehen bevor.

Es braucht «eine Milliardärin»

Ende August läuft der dreijährige Finanzierungszyklus vom BPRM aus. Bei einem Treffen vor wenigen Tagen, so erzählt es Swinchatt, habe ihm die US-Botschaft klargemacht: Es gibt keine neuen Gelder in der nahen Zukunft. In der Not hat Terre des hommes eine dreimonatige Verlängerung des Programms beantragt und erhalten – allerdings mit reduziertem Budget. Damit kann Swinchatt die Gesundheitszentren (mit stark reduziertem Angebot und noch weniger Personal) bis Ende November betreiben. Dann ist definitiv Schluss, wenn kein Geldgeber einspringt.

«Wir brauchen sofort zwei Millionen Franken – bitte!», sagt Swinchatt, gerichtet an die Leserschaft von SonntagsBlick. Er habe sich an alle gewandt: an Botschaften, an vermögende Geschäftsleute in Bangladesch, an Partnerorganisationen. Meist habe er gar keine Antwort erhalten. Oder ein schlichtes «Kein Geld». Aber selbst wenn sich ein institutioneller Geldgeber wie die EU oder die Uno einschalte – die Prozesse seien zu langsam, die finanzielle Lage zu dramatisch, so Swinchatt. «Bis das Geld fliesst, sind unsere Türen zu.» Nur ein privater Geldgeber könne jetzt noch rasch aus der Krise helfen, «ein Millionär oder eine Milliardärin».

Ein Treffen mit der Schweizer Botschaft in Bangladesch soll noch stattfinden, am 13. August. Allerdings: Die Schweiz plant, den grössten Teil ihrer Hilfe für Bangladesch bis Ende 2028 auslaufen zu lassen. Rohingya-Flüchtlinge sollen darüber hinaus noch unterstützt werden. Doch es fragt sich, mit wie viel Geld. Anfang Jahr hat das Parlament das Budget für Entwicklungshilfe massiv gekürzt.

Die Not wächst – die Zahl der Flüchtlinge ebenfalls

Das Problem ist global. Auch die EU oder Staaten wie Grossbritannien verschieben ihre Prioritäten, schichten ihre Budgets um – vom Humanitären hin zur Abschreckung gegen Russland. Gleichzeitig toben Krisen in Gaza, im Sudan, im Jemen – alles Konfliktherde, für die es Hilfsgelder braucht. NGO wie Terre des hommes haben daher zunehmend Mühe, neue Geldgeber aufzutreiben.

In Cox’s Bazar mussten bereits einige Gesundheitszentren schliessen, berichtet Swinchatt. Dadurch ist der Druck auf die noch bestehenden Zentren gestiegen. Selbst grosse Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) leiden darunter. In den Camps behandeln sie täglich bis zu 1800 Patientinnen und Patienten. «Das Gesundheitssystem ist überlastet», schreibt Antonino Caradonna auf Anfrage, der Leiter der MSF-Mission in Bangladesch.

Die Not wächst – und die Zahl der Flüchtlinge ebenfalls. Bis Ende Jahr werden 200’000 weitere Rohingya in den Camps erwartet. Doch während die Bedürfnisse steigen, verschwinden die finanziellen Mittel, die Ressourcen. «Es ist eine tödliche Mischung», sagt Swinchatt, der Länderverantwortliche von Terre des hommes.

Noch behandeln sie Patientinnen, reparieren Wasserleitungen und reinigen Latrinen. «Wir schauen jetzt Tag für Tag», sagt Swinchatt. «Wir versuchen, mit dem wenigen Geld, das noch da ist, weiterzumachen.» So lange wie möglich.

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